Quantcast
Channel: Evolver
Viewing all 1258 articles
Browse latest View live

Stories_ Nikolas Schreck: Porträt/Part I

$
0
0

Karma-Chamäleon


Er war Bluttrinker, Teufelsanbeter, Deathrock-Musiker, bester Freund des berüchtigtsten Mörders der USA, Magier und Schwiegersohn des Gründers der Church of Satan: Nikolas Schreck. Heute lebt der Mann mit dem vielsagenden Pseudonym in Berlin - und ist gläubiger Buddhist.
Eine Inszenierung in zwölf Akten.

 

0. UPDATE

 

He´s baaaaack! Nikolas Schreck - Musiker, Autor, Künstler und schon zu Lebzeiten eine Legende - tritt 2014 wieder an die Öffentlichkeit. Nicht nur als Southern Preacher in "The Ballad of Lurleen Tyler", dem Song seines neuen Musikprojekts Kingdom of Heaven, sondern auch mit der erfolgreichen und sehr stark erweiterten Neuausgabe seines Nunmehr-Standardwerks "The Manson File" sowie einer Trilogie historischer Romane unter dem Titel "The Dallas Book of the Dead“, deren erster Band bald erscheinen soll.

Unser letztes persönliches Treffen fand zur Sommersonnenwende 2014 in Leipzig statt, bei einem kleinen, aber feinen Festival, wo Nikolas (der seit Jahren in Berlin lebt) sich erstmals bei einer solchen Veranstaltung - als Gast - in der deutschen Öffentlichkeit zeigte. Ein Großteil der Anwesenden erkannte ihn (wieder), es wurde viel getuschelt und gefragt, und irgendwann kam er mit fast allen ins Gespräch, wie stets extrem höflich und interessiert.

Am 27. September 2014 wird Schreck mit Drummer/Percussionist John Murphy (SPK, Lustmord, Death In June, Whitehouse u. v. a.) beim "Tower Transmissions Festival" in Dresden auftreten; ein weiteres Konzert ist für Ende November in Leipzig geplant.

Das folgende Porträt sollte in der Zeitschrift 2012 erscheinen, die in ebendiesem Jahr zwölf Ausgaben lang dem Weltuntergang (der bekanntlich nicht stattfand) gewidmet war - blieb aber dann aus diversen, für die aktuelle Printbranche typischen Gründen unveröffentlicht. Das Interview zu der Story wurde im September 2012 in Berlin geführt; die Geschichte wurde in kleinen Teilen ergänzt und aktualisiert.

 

 

1. ANGST & SCHRECKEN IN SAN FRANCISCO

Februar 1988, USA. Ich sitze bei einem Glas schweren Rotwein in einer Wohnung im sechsten Stock eines gepflegten alten Mietshauses. Am Fenster, durch das die Neonfarben von San Francisco schimmern, ragt eine Art Altar auf, dekoriert mit einer riesigen Hakenkreuzfahne. Auf dem Couchtisch vor mir steht ein Krug voll frischem Tierblut. Unter der Glasplatte des Tischchens sind Nazi-Reliquien, ein Originaletikett des berüchtigten Zyklon-B-Giftgases aus den deutschen Todeslagern und ein paar handschriftliche Briefe bekannter amerikanischer Mörder zu sehen.

Mein Gastgeber ist ein hochgewachsener Mann Ende zwanzig. Blaß geschminktes Gesicht, blondgefärbtes, zurückfrisiertes Haar mit hohen Geheimratsecken, schwarze Kleidung. Mit tiefer, fast hypnotisch klingender Stimme stellt er mir seine Freundin Felina vor: 19 Jahre alt, ebenso düster gestylt wie er - und mehr als willig, sich von ihrem Gefährten mit einer Rasierklinge in den Arm schneiden zu lassen, damit er ihr Blut ablecken kann.

Der Vampir nennt sich Nikolas Schreck; benannt entweder nach dem deutschen Schauspieler Max Schreck (dem klassischen Kino-Nosferatu) oder auch nach Julius Schreck, dem Fahrer des Führers und "Vater der SS". Ich habe ihn kontaktiert, weil ich in den USA eine Reportage über Satanisten, Bluttrinker und Nekrophile mache, lange vor der Internet-Ära, als der infernalische Untergrund noch nicht jede seiner Ideen auf Facebook präsentieren konnte.

Schreck sieht sich als Herrenmensch, als Teil einer Elite, die das Recht hat, sich von anderen zu nehmen, was sie will. "Ein Prozent der Weltbevölkerung sind Jäger", sagt er, "der Rest ist ihre Beute. Die größten historischen Persönlichkeiten, die einzigen, die der Welt wirklichen Fortschritt brachten, waren Massenmörder - wie Karl der Große, Napoleon oder Hitler."

Nach Stunden ebenso angeregter wie unheimlicher Gespräche verabschiede ich mich von den Vampiren und gehe hinaus in die Nacht von San Francisco, die plötzlich viel dunkler scheint.

 

2. DAS UNSCHULDIGE BÖSE

Fast ein Vierteljahrhundert später. Herbst in Berlin. Wir sind vor einer außerhalb gelegenen S-Bahn-Station mit Nikolas Schreck verabredet - zu einem kleinen Ausflug. "Natürlich ist deine Frau herzlichst eingeladen, uns auf unserem 'Spaziergang des Bösen' zu begleiten", hat er mir vorher in einem E-Mail geschrieben. "Solange ihr nur klar ist, daß keiner von euch aus dem Wald zurückkehren wird ..."

Wir wagen es trotzdem. Der Mann, der mittlerweile zum Buddhismus übergetreten ist und sich auf seiner Website als "Multimedia-Magier, Musiker, Autor, Filmemacher und religiöser Lehrer" bezeichnet, hat sich seit den Achtzigern nicht besonders verändert: immer noch groß und schlank, immer noch dunkel gekleidet, wenn auch diesmal mit einem fernöstlichen Hemd statt der runenbestickten Militärjacke von damals. Nur das Wasserstoffblonde ist einer Glatze gewichen.

Ein bißchen sieht er aus wie Lord Voldemort aus den Harry Potter-Filmen, nur daß ihm statt der Nase das rechte Ohr fehlt (dazu später mehr ...). "Anscheinend entspreche ich immer irgendeinem Archetyp aus Hollywood-Filmen", sagt der mittlerweile 50jährige Schreck lächelnd. "Vor zehn Jahren hat man mich öfters mit Christopher Walken in Sleepy Hollow verwechselt - dem 'Hessen', der später zum kopflosen Reiter wurde."

Es sind jedenfalls stets die Dämonischen und Antihelden auf der Leinwand, mit denen man ihn vergleicht - und das, obwohl Nikolas bereits im Kindesalter nicht an die Existenz des Bösen glaubte.

"Instinktiv hatte ich schon damals das Gefühl, daß dieses sogenannte Böse ein relativer Begriff ist, den verschiedene Leute auf Dinge projizieren, mit denen sie nicht einverstanden sind", erzählt er. Da er gerade an seiner Autobiographie für einen französischen Verlag arbeitet, denkt er derzeit häufig über seine Jugendjahre nach. Die Eltern waren Freigeister, Atheisten, Bohemiens, die schon Anfang der Sixties mit psychedelischen Drogen und Promiskuität experimentierten und auch ihrem Sohn ("ein Einzelkind, mit allen schlechten Eigenschaften") sämtliche Freiheiten ließen, sodaß er nie rebellieren mußte. Schrecks Vater war Marineoffizier, aber auch Musikmanager und Schriftsteller, der sich vor allem mit militärhistorischen Themen befaßte; die Familie übersiedelte häufig und unternahm viele Reisen.

Zur Sozialisation des diabolischen Wunderkinds gehörten klassische Horrorfilme im Fernsehen, das Tibetische Totenbuch, griechische Mythologie - und eine satanistische Babysitterin, die dem Fünfjährigen die Bibel vom Standpunkt des Teufels aus nahebrachte. "Ich wurde mir der Existenz eines übernatürlichen Wesens, das die 'dunkle Seite' verkörpert, erst durch dieses halbwüchsige Mädchen bewußt", erinnert sich Nikolas Schreck. "Ich war ein Kind, und sie stellte den Teufel und seine Anbetung als etwas total Positives dar. Das war also meine Initation - auf eine sehr unschuldige Art und Weise."

 

3. MAGISCHE REISEN

Wie Nikolas berichtet, durfte er in seiner privaten Version der "Addams Family" ein absolut egoistisches, gesetzloses Kind sein, das nur seinen Willen durchsetzen wollte, sich in der Volksschule selbst freimütig als Satanisten bezeichnete ("Heute würden sie mich dafür psychiatrieren und meine Eltern einsperren") und dessen Helden neben dem Beherrscher der Unterwelt ausschließlich Monster, Gangster oder legendäre Outlaws waren.

Bereits während der okkulten Renaissance der Hippie-Ära hatte Nikolas sich für Bewußtseinserweiterung und östlichen Mystizismus interessiert, wenn auch mit einem völlig anderen Hintergrund als die Generation der Blumenkinder. Schließlich war er davon überzeugt, daß das satanische Zeitalter bereits in den kommenden Jahren anbrechen würde - und wollte unbedingt einer von denen sein, die dann das Sagen hatten: "Meditation und Yoga waren für mich nicht Mittel dazu, die Welt zu verbessern, sondern mit Hilfe meines Geistes Böses zu tun, ein noch besserer Krimineller und Magier zu werden."

Nach ersten Ritualen mit einem kleinen magischen Zirkel, den er damals in L. A. um sich geschart hatte, machte er sich nach England auf, um dort von den europäischen Großmeistern zu lernen. Bei den verschiedenen Ablegern des OTO (Ordo Templi Orientis), einem 1903 vom Wiener Industriellen Carl Kellner gegründeten esoterischen Zirkel, der wenige Jahre später vom britischen Okkultisten und Junkie Aleister Crowley ("The Great Beast 666") übernommen wurde, machte er Erfahrungen mit traditioneller Zeremonialmagie, Sexualmagie und der in den Achtzigern modernen Chaosmagie. Seine Recherchen über den Wüstengott Seth, der von einigen der magischen Zirkel als Inbild des Teufels angebetet wurde, führten ihn dann weiter zu den Wurzel des sogenannten Bösen: nach Ägypten.

"Im Königsgrab des Pharaos Sethos I. machte ich eine Erfahrung, die mein ganzes Leben verändern sollte", sagt Schreck. "Seth - der in Wahrheit nicht Satan ist, sondern im Gegenteil Gott, der ehemalige ägyptische Hauptgott - nahm mit mir Kontakt auf und beauftragte mich mit einer Mission: Ich sollte ins Herz Amerikas zurückkehren und den Menschen dort mit meiner Musik, meinen Filmen und meinen Worten zeigen, daß es die alten Götter wirklich gibt, daß eine andere Welt neben der christlichen existiert."

 

4. WILD AT HEART

Im Herzen Amerikas passierte auch die Geschichte mit dem Ohr. Schreck, nun als Tabubrecher im künstlerisch-religiösen Auftrag unterwegs, lebte in den fundamentalchristlichen, erzkonservativen Reagan-Jahren wieder im Sündenbabel Los Angeles, als auffällig düstere Erscheinung mit fragwürdigen moralischen Prinzipien. Eines Abends trieb er sich mit einem befreundeten Satanisten im Homosexuellenviertel der Stadt herum. Dummerweise (oder auch absichtlich) ließ der Kollege einige Anti-AIDS-Karikaturen gut sichtbar im Auto herumliegen - und als Nikolas gerade wieder eingestiegen war, schnitt ihm ein wegen der Zeichnungen äußerst schlechtgelaunter schwuler Bodybuilder durchs offene Fenster das Ohr ab. Mit einem Rasiermesser.

Der Freund brachte den Verletzten zu einer Notaufnahme und suchte das Weite. Schreck saß einige Zeit blutüberströmt im Wartesaal, bis sich endlich eine Schwester zu ihm bemühte - und sagte: "Das erinnert mich an diesen David-Lynch-Film, du weißt schon, Blue Velvet, wo dieses abgeschnittene Ohr im Vorgarten herumliegt, irgendwo in den Suburbs. Kennst du den?"

"Lady, ich verblute", antwortete der Verletzte. "Können Sie mich endlich versorgen?" Zu spät - das Ohr konnte nicht mehr angenäht werden. Und seither hat Nikolas Schreck eben ein besonderes Kennzeichen mehr.

Only in Hollywood ...

 

Fortsetzung folgt ...

Nikolas Schreck im Gespräch

Aktuelles Interview mit Schreck über die bevorstehenden Konzerte, die Magie der Musik und vieles mehr (in engl. Sprache)

Nikolas Schreck - The Manson File: Myth and Reality of an Outlaw Shaman

Nikolas Schreck auf CD

Radio-Werewolf-CD "The Vinyl Solution/Analog Artifacts: Ritual Instrumentals and Undercover Versions"

Termin-Tip: Transmission Festival

Website des "Tower Transmission Festivals" in Dresden, wo Nikolas Schreck und John Murphy auftreten werden

Nikolas Schreck - Lesung

Nikolas Schreck liest im National Public Radio (NPR) aus seinem demnächst erscheinenenden Roman The Dallas Book of the Dead


Stories_ Miraculous Mule Interview/Part I

$
0
0

Himmel und Hölle

Das trinkfreudige Londoner Trio Miraculous Mule treibt seine Maultiere schwerbepackt mit Satteltaschen voller Rock´n´Roll und Kisten voller Whiskey und Weihwasser durchs finstere Blues-Tal und dampfende Soul-Sümpfe in Richtung Gospel-Jerusalem. EVOLVER sprach anläßlich des aktuellen Albums "Deep Fried" mit Michael J. Sheehy.

Nach der letztjährigen, herausragenden gleichnamigen Debüt-10", auf der Miraculous Mule sechs Traditionals des amerikanischen Deep-Blues gehuldigt haben, darunter Klassikern wie "Wayfaring Stranger" oder "Run On", ist die Londoner Band 2013 vom Quartett zum Trio mutiert. Aber auch in dieser etwas kleineren Besetzung zelebriert die neue musikalische Dreifaltigkeit, bestehend aus Michael J. Sheehy (Vocals, Guitar, Piano, Organ, Percussion), Patrick McCarthy (Vocals, Bass, Lap Steel, Banjo, Percussion) und Ian Burns (Drums, Percussion) auf dem Nachfolger-Album "Deep Fried" einen schmissig-swingenden Götzen-Gottesdienst für Jünger des rüden Blues, Apostel des augenzwinkernden Gospel und Punk-Rock´n´Roll-Ministranten.

Und wenn es das Genre des "Voodoo-Gospel-Blues-Rock" nicht schon seit den Tagen des "un-seligen" Screaming Jay Hawkins gäbe, müßte es sofort erfunden werden, um den wilden Stil-Mix der Engländer zu umschreiben, die - wie echte Voodoo-Hexenmeister - schonungslos die Vorratskammern der angloamerikanischen Musikhistorie plündern. Das Trio bedient sich zum Beispiel alter Lieder der Chain-Gangs, der Balladen der Sklaven, Mistrel-Beschwörungsformeln, der Bibel bzw. abergläubischen Exorzismussprüchen - und mischt diese vielen Zutaten aus der klassischen Blues- und Gospel-Musik, um seinen musikalischen Zaubertrank zusammenzubrauen.

Entdecker und Stag-O-Lee-Labelchef Reinhard Holstein bringt den Stil-Cocktail der Band auf die einfache Formel "Vintage, zwischen Howlin´Wolf, Dr. John und Traditional-Music, aber mit Biß und tief im Hier und Jetzt verwurzelt!"

Eine Interview-Liturgie mit Michael J. Sheehy über Spirituals, Sound und Sünde ...

 

 

Der "Maulesel" als solcher steht in alten Traditionals ja sehr oft als Metapher für sexuelle Ausdauer ...


EVOLVER: Esel ("Und die Eselin sah den Engel", Roman von Nick Cave) beziehungsweise Maulesel oder Maultiere (z. B. Gov´t Mule, Mule) haben anscheinend eine Tradition in der Musikgeschichte. Wie kam es zu eurem wirklich wundersamen Bandnamen?

Michael J. Sheehy: Die Idee entstand aus einer echten Bierlaune heraus. Genaugenommen kümmere ich mich nicht sehr viel darum, wie eine Band heißt, welchen Namen das Projekt hat. Im Kern geht es für mich darum, daß die Musik "kickt", wie ein Maulesel eben, so kam es zur Namensschöpfung! Andererseits finden sich Dinge oft irgendwie zusammen, denn uns ist als Band später aufgefallen, daß der "Maulesel" als solcher im Delta-Blues sehr oft als Metapher für sexuelle Ausdauer und libidinöse Energie steht. In den alten Traditionals, in Blues-Nummern aus dem Süden, vielen Arbeiter- und Sklavensongs spielt dieser Tier eine bedeutende Rolle, "trägt" oft die ganze Last der Lyrics ... Und das paßt dann doch unbewußt/bewußt "wunderbar" zum Bandkonzept Miraculous Mule - besser kann man unseren Sound gar nicht sprachlich charakterisieren: inhaltlich wunderbar doppeldeutig, für Musikjournalisten herrlich intensiv für entsprechende Interpretationsspielräume; noch dazu sind wir ein Bastard aus Blues-Esel und Punk-Muli.

 

Diese Benzinmischung aus Blues-Ursuppe´n´Punk-Ethos macht  unseren Sound aus.


EVOLVER: Dann kommen wir doch gleich zu einem häufigen Problem des Musikjournalismus: Die Versuche der Kollegen aus der Musikpresse, eure Musik zu beschreiben, winden sich wie eine Schlange zur Beschwörungsmusik um diverse Neologismen wie "Voodoo-Gospel-Blues-Rock" oder "Schlangenbeschwörungs-Soul". Wie würdest du euren Band-Bastard-Sound charakterisieren?

Michael J. Sheehy: Unsere musikalischen, soundspezifischen und auch thematischen Ursprünge liegen im Blues-Delta, unsere Urquelle befindet sich tief im amerikanischen Süden. Dazu kommen dann die Schwingungen der Sprirituals, der Gospel Music, mit allen Facetten von den Themenschwerpunkten bis zur ekstatischen Live-Interpretation, die die Seele zum Vibrieren und damit zur Läuterung bringen soll. Die Liebe zu dieser sehr ursprünglichen Musik hält das Projekt auf dem Highway, aber es kommt eben noch ein weiterer Treibstoff dazu: das Punk-Rock-Benzin! Wir sind einfach keine traditionellen Bluesmusiker, und das wollen wir auch gar nicht sein! Dazu sind unsere Spielmöglichkeiten zu limitiert, und London zu weit weg vom "unheimlichen Amerika". Wobei aber andererseits wiederum genau diese Benzinmischung aus Blues-Ursuppe´n´Punk-Ethos unseren Sound so spannend für uns macht und uns insgesamt eben ausmacht.

 

 

EVOLVER: All das paßt natürlich zu mystischen Musikzentren wie Memphis, Nashville oder New Orleans. Aber wieviel Voodoo-Blues-Atmosphäre atmet eure Heimatstadt London, eine Metropole, die wohl eher als Beat- oder Electro-Mekka bekannt ist?

Michael J. Sheehy: Es gibt in London eine sehr lebendige und vielfältige Musikszene. Jeder Stilrichtung wurde in dieser und durch diese Stadt im Laufe der Musikgeschichte irgendeine kleine oder große Zutat beigemischt. Und natürlich existiert in "Swinging London" auch eine sehr vitale Blues-Szene, nur sind wir davon kein wirklich fester Bestandteil. Wie schon angesprochen - wir sind einerseits zu punkig für die traditionelle "Blues-Crowd"; deren Mitglieder haben irgendwie im Kopf die Idee zementiert, daß Blues ausschließlich durch einen hohen Grad an Virtuosität definiert wird. Wir selbst sehen das aus einem ganz anderen Blickwinkel: Blues ist ein bestimmtes Lebens- und Musikgefühl. Gleichzeitig aber sind wir für die Garagen- und Punkrock-Szene Londons zu blues-lastig, zu traditionell - schizophren, oder? Und es gibt ein weiteres Argument, das uns aus dem Blues-Zirkel ausschließt, das der sogenannten Authentizität! Absoluter "Bullshit"! Denn der Blues ist  - wie gesagt - ein Lebensgefühl, der Soundtrack zum Leben, so etwas kann man sich nicht aneignen, man hat es oder nicht. Insgesamt ist es uns als Band daher auch notgedrungen ziemlich egal, ob wir irgendwo dazugehören oder nicht. Zwar schafft ein Außenseiterstatus Probleme, wenn es um Akzeptanz dafür geht, was man als Musiker macht, uns aber macht exakt diese aus der Musik-Schizophrenie resultierende Isolation auch wieder stolz.

 

Zur Fortsetzung ...

Miraculous Mule

Line-up:

Michael J. Sheehy: Vocals, Guitar, Piano, Organ, Percussion

Patrick McCarthy: Vocals, Bass, Lap Steel, Banjo, Percussion

Ian Burns: Drums, Percussion

and Guests

 

Aktuelles Album:

Deep Fried, Bronze Rat/Muletone, Soulfood

 

Diskographie:

"Miraculous Mule", 10", Stag-O-Lee/Glitterhouse

"Deep Fried", CD, Glitterhouse

 

Andere Projekte:

Michael J. Sheehy: "Ghost On The Motorway", Glitterhouse

Michael J. Sheehy And The Hired Mourners: "With These Hands: The Rise And Fall Of Francis Delaney", Glitterhouse

Saint Silas Intercession: "All About The Money", Stag-O-Lee/Glitterhouse

Stories_ Miraculous Mule Interview/Part II

$
0
0

Hellfire - The Miraculous Mule-Story

EVOLVER sprach mit Miraculous-Mule-Frontman Michael J. Sheehy über Spirituals, Sound und Sünde - sowie sechs Alben, die er mit in die Hölle nehmen würde.

Das trinkfreudige Trio Miraculous Mule aus London treibt seine Maultiere schwerbepackt mit Satteltaschen voller Rock´n´Roll und Kisten voller Whiskey und Weihwasser durchs finsteres Blues-Tal und dampfende Soul-Sümpfe in Richtung Gospel-Jerusalem. Das gerade erschienene Album "Deep Fried" mit seinen zehn Hymnen versetzt Hörer und Musikpresse gleichermaßen in Ekstase und läßt viele der bisherigen Musik-Evangelien alt aussehen. Zum ersten Teil des EVOLVER-Interviews ...

 

 

 

 

Saturday Satan, Sunday Saint (Ernest Tubb/Traditional)


EVOLVER: Sowohl in den Texten beziehungsweise den Songtiteln als auch bei der Cover- und Flyer-Gestaltung fällt eindeutig auf, daß bei Miraculous Mule sehr stark religiöse Themen, Gospel-Motive, der Dualismus zwischen Sünde und Erlösung im Fokus stehen ...

Michael J. Sheehy: Alle unsere Texte, zum Teil auch der Sound, leben von der Dualität des menschlichen Wesens, des menschlichen Geistes. Das hat ganz stark etwas mit der Grundstimmung zu tun, in der die Musik entstanden ist, aus der wir unsere Inspirationen schöpfen: Die alten, echten Blues-Musiker pendelten stets zwischen Gemeinde und Gemeinheit, zwischen Satan und Jesus, zwischen Himmel und Hölle. Samstagnacht spielten sie ihre Nummern in verrauchten Spelunken, zwischen Whiskey, drogendampfenden Ausdünstungen und Weibern (sorry!). Am Sonntag zupften sie ihre Instrumente oder spannten ihre Stimmbänder beim Gottesdienst in der Gemeinde. Und das aufrichtig, in der festen Absicht, damit Buße zu tun, mit der Hoffnung, sich von den Sünden der letzten Nacht reinwaschen zu können.

Diese spannende Antithetik ist mir aufgefallen, als ich die wunderbare Biographie über Jerry Lee Lewis von Nick Tosches gelesen habe. Dieses Werk, "Hellfire", ist für mich das beste Buch, das bisher über Musik verfaßt wurde; man kann die Leistung von Tosches, natürlich auch wegen seiner anderen Arbeiten, nicht hoch genug bewerten. Seine Lewis-Biographie atmet auf jeder Seite den innerseelischen, südstaatentypischen Widerspruch des "Killers", zeigt seinen Kampf zwischen Seelenheil und Sündenfall. Davon ausgehend habe ich mich dann mit den speziellen Themen der Blues-, Gospel- und Spiritual-Music der Südstaaten beschäftigt - und bin selbst nicht mehr davon losgekommen, amen!

 

Blues ist der entscheidende Musikstil, der durch alle Bandprojekte fließt wie der Mississippi ...


EVOLVER: Du arbeitest sehr viel und in unterschiedlichen Musikprojekten. Was genau macht nun den Reiz, das Besondere von Miraculous Mule aus - im Vergleich zu anderen Bands, in denen du mitwirkst?

Michael J. Sheehy: Ich hoffe, vorhin schon verdeutlicht zu haben, daß der Blues der fundamentale Musikstil ist, der mir wichtig ist, und der daher auch durch alle bisherigen Bandprojekte fließt wie der Mississippi. Als Unterscheidungsmerkmal kommt es mir aber oft so vor, als sei Miraculous Mule so etwas wie die ältere, weisere Variante von Saint Silas Intercession (minus einem Mitglied). Und meine Soloarbeiten sind durch die sehr einsame Art des Songwritings gekennzeichnet, alles liegt dort an mir, im Positiven wie im Negativen. Dadurch kommt es auch viel stärker zu Experimenten und Veränderungen von Grundideen im Sound und im Aufnahmestudio. In einer Band zu arbeiten ist lohnender, man erweitert mehr den musikalischen und individuellen Horizont, und es ist nicht so einsam (lacht dabei).

 

 

Ich selbst bin eher eine Art DJ-Autist.


EVOLVER: Du und Patrick seid beide schon seit einiger Zeit erfolgreich als DJs unterwegs, unter anderem auch für die wundervolle Compilation-Serie "Spoonful". Inwieweit ist diese Tätigkeit wichtig für das musikalische Schaffen?

Michael J. Sheehy: Leider haben wir nicht sehr viel Zeit für das Auflegen, aber wir genießen absolut jede Minute zwischen Platten und hinter dem Mischpult. Auf diese Art haben Patrick und ich noch einen weiteren Kanal gefunden, die Musik, die wir lieben, mit anderen teilen zu können. Wobei ich gestehen muß, daß Patrick einfach der brillantere DJ ist! Er hat ein extrem gutes Gespür dafür, welche Stimmung gerade auf der Tanzfläche herrscht, und ist sehr gut darin, mit seiner Song-Auswahl darauf zu reagieren. Ich selbst bin eher eine Art DJ-Autist: Für mich ist es nicht entscheidend, wie ich die Tanzfläche in Flammen setzen kann, ich liebe es eher, die Hörer zu fordern, durch interessante Gegensätze oder spannende Kombinationen. Als Duo "funktionieren" wir aber so ganz gut; die Compilations gibt es übrigens via Spoonful-Records ... Du hast ja, glaube ich, auch schon einen Pulp-Country-DJ-Sampler für dieses kleine, feine Label rausgebracht (Eigenlob, das gut tut! Der Verfasser).

 

EVOLVER: Hast du den gerade aktuellen Streifen der Coen-Brüder, "Inside Llewyn Davis", schon gesehen? Der würde gut in euren Kunstkosmos passen.

Michael J. Sheehy: Gesehen habe ich den Film leider noch nicht, aber schon sehr gemischte Kritiken darüber gehört; ich will mir aber natürlich erst selbst "ein Bild" davon machen. Ich schätze die Filme der Coen-Brüder sehr, am besten gefallen mir "The Big Lebowski" und natürlich "O´ Brother Where Art Thou?" In beiden ist die Musik einfach exzellent, wobei der letztere Soundtrack uns natürlich noch eine Ton-Spur näher liegt. Kennst du die Live-Verfilmung dazu, den Konzertfilm "Down From The Mountain", aus dem alten Ryman-Auditorium? Ein absolutes Muß für Fans der Südstaaten-Sounds!

 

EVOLVER: Schließen wir mit einer wahrhaft höllischen Frage: Angenommen, der Leibhaftige würde - aller Gospel-Energie zum Trotz - heute Nacht bei dir aufkreuzen, um dich mit in die Hölle zu nehmen, dir aber zugestehen, sechs Alben mitzunehmen, um die Teit dort etwas zu verkürzen. Welche sechs "Stay-In-Hell-And-Have-Some-Fun-Höllenbastard-Alben" würdest du auswählen?

Michael J. Sheehy: Wow, dazu müßte man natürlich erstmal definieren, was ein "Stay-In-Hell-And-Have-Some-Fun-Höllenbastard-Album" ausmacht! Aber ich kann mir gut vorstellen, was du damit meinst, also versuche ich es einmal:

 

1) Dr John - Sun Moon and Herbs

2) Elvis Presley - Sun Sessions

3) Jimi Hendrix - Axis Bold As Love

4) The Stooges - Funhouse

5) Various Artists - Negro Prison Blues and Songs (Recordings by Alan Lomax)

6) Nina Simone - Pastel Blues

 

Das also wäre meine höllische Höllenliste für diesen Sonntag! Aber es kann durchaus sein, daß, wenn du mich nächsten Sonntag noch einmal fragen würdest, die Liste ganz anders aussähe ...

 

Miraculous Mule

Line-up:

Michael J. Sheehy: Vocals, Guitar, Piano, Organ, Percussion

Patrick McCarthy: Vocals, Bass, Lap Steel, Banjo, Percussion

Ian Burns: Drums, Percussion

and Guests

 

Aktuelles Album:

Deep Fried, Bronze Rat/Muletone, Soulfood

 

Diskographie:

"Miraculous Mule", 10", Stag-O-Lee/Glitterhouse

"Deep Fried", CD, Glitterhouse

 

Andere Projekte:

Michael J. Sheehy: "Ghost On The Motorway", Glitterhouse

Michael J. Sheehy And The Hired Mourners: "With These Hands: The Rise And Fall Of Francis Delaney", Glitterhouse

Saint Silas Intercession: "All About The Money", Stag-O-Lee/Glitterhouse

Print_ Print-Tips Spezial

$
0
0

Schmauchspuren #35

Wenn Sie nicht gerade in die - wie immer gelungene und ästhetisch ansprechende - Diogenes-Neuausgabe der Krimis von Dashiell Hammett vertieft sind, greifen Sie doch zu neuem Spannungsmaterial. Das Genre ist schließlich stets für Überraschungen gut, ob aus New York oder der Steiermark.

Daniel Woodrell - Winters Knochen


Liebeskind 2011

Daniel Woodrell nennt seinen Stil "Country noir" - besser, man erfindet so eine Schublade selbst, bevor irgendwelche Kritiker es tun. Die meisten seiner bisher acht Romane spielen in den Ozarks, einem hügeligen Hochplateau, das sich vor allem über die Bundesstaaten Arkansas und Missouri erstreckt. Da Woodrell selbst von dort stammt, versteht er es wie kein zweiter, die Existenz der Einwohner dieser Region zu beschreiben. Sie sind "white trash", oft arbeitslos und verarmt, weit verstreute Familienclans, die häufig von Speedkochen, Drogenhandel und Bagatelldelikten leben. Damit fallen die Bücher des Autors wohl automatisch ins Krimigenre, obwohl sie Thriller-Plots oft nur am Rande streifen. Wie etwa Winters Knochen, sein aktuelles Meisterwerk, dessen Verfilmung heuer nur knapp an ein paar Oscars vorbeiging.

Der Roman erzählt die Geschichte der 17jährigen Ree Dolly, die für ihre Familie sorgt, da der Vater meist im Gefängnis ist. Jetzt ist der "Ernährer" überhaupt verschwunden und hat das Haus der Dollys für seine Kaution versetzt. Ree muß ihn finden, wenn sie, ihre geisteskranke Mutter und die zwei kleinen Brüder nicht auf der Straße landen wollen. Wie sie stur und unbeirrbar durch die eiskalten Ozarks zieht, mit gefährlichen Männern und noch gefährlicheren Frauen (alles entfernte Verwandte natürlich) zu tun bekommt und beim Aufdecken eines dunklen Geheimnisses selbst nur knapp am Tod vorbeigeht, das macht Woodrells Werk zu einem der besten Bücher der Saison, ob Krimi oder nicht - und Ree zu einer der faszinierendsten Figuren, die man als Leser in letzter Zeit kennenlernen durfte. Unbedingte Empfehlung.

Claudia Rossbacher - Steirerblut


Gmeiner 2011

Die Heldin von Claudia Rossbachers aktuellem Lokalkrimi Steirerblut kommt da schon viel "normaler" daher: Inspektorin Sandra Mohr vom Landeskriminalamt Graz ist auf den ersten Blick eine typisch österreichische Polizistin, die bei ihren Recherchen über die dunklen Seiten der Provinz ohne hypermoderne Ermittlungsmethoden à la CSI auskommen muß. Als es sie wegen eines ungewöhnlichen Mordfalls - eine Journalistin und Frau eines Immobiliengauners wird nackt und tot im Wald aufgefunden - ausgerechnet in ihr Heimatdorf verschlägt, stellt sich Interessantes über sie heraus. Zwischen zynisch-geilen Kollegen, der Dorfwirtshaus-Unkultur, ihrer schrecklichen Familie und dem Exfreund entpuppt sich Sandra nämlich als ziemliche Tussi, der nichts recht ist, die über vieles nicht reden oder nachdenken will und sich daher bei den eigenen Nachforschungen im Weg steht. Sonst hätte sie wohl (wie der geübte Leser) den Täter gleich beim ersten Auftritt entlarvt ... Nennen wir es Realismus.

Gregg Hurwitz - Tödlicher Fehler


Droemer Pb. 2011

Den Vorwurf, nahe an der Realität zu bleiben, kann man dem US-Krimischreiber Gregg Hurwitz wahrlich nicht machen. Mit Tödlicher Fehler ist ihm zwar ein leidlich spannender Paranoia-Thriller gelungen, der sich schnell konsumieren läßt, aber so richtig hängenbleiben will die Story nicht: Nick Horrigan ist auch zehn Jahre nach der Ermordung seines Stiefvaters noch traumatisiert und von Schuldgefühlen geplagt, als er eines Nachts von einem Polizei-Sondereinsatzteam in seiner eigenen Wohnung überfallen und im Pyjama in ein Atomkraftwerk befördert wird, wo er einen angeblichen Terroristen zur Aufgabe bewegen soll. Als der durch ein explodierendes Handy stirbt, gibt Nick natürlich nicht auf: Er will wissen, was hinter der Affäre steckt, was damals wirklich mit seinem Stiefvater passiert ist, wie zwei Präsidentschaftskandidaten in die Sache verwickelt sind ... und schon finden wir uns mitten im amerikanischen Fernsehkrimi-Terrain wieder, wo die Verbrechen immer viel zu kompliziert, die Personen sagenhaft überzeichnet und die Motive hirnrissig sind. Als Entertainment funktioniert´s, aber das ist dann auch schon alles.

Johnny Porkpie - The Corpse Wore Pasties


Hard Case Crime (Dorchester Publ.) 2009

Eines der letzten Bücher der insgesamt überdurchschnittlich guten Reihe Hard Case Crime kann allerdings nicht einmal von sich behaupten, unterhaltsam zu sein. Jonny Porkpie, ein Typ mit einem komischen Hut und angeblich der "Burlesque Mayor of New York" (haha, wie heiter - dabei weiß man doch, daß diese modische Varieté-Erweckungsbewegung zum Großteil aus gruftigen Suicide Girls besteht, die nicht einmal strippen können ...) fungiert als Verfasser von The Corpse Wore Pasties. Und liefert ein Machwerk, das nicht origineller ist als sein Titel, aber dafür vor jener widerlichen Hornbrillen-Ironie strotzt, der man heutzutage leider auf Schritt und Tritt begegnet. Der Fall: Burlesque-Tänzerin wird während der Show ermordet. Der Ermittler: Porkpie als Porkpie. Die Sprüche: sollen cool und witzig sein, wirken aber ab etwa Seite zwei nur noch peinlich. Das Personal: etwa so erotisch wie die Mitternachtseinlage am Internationalen Frauentag. Der Täter: Wen interessiert´s? Der erste Hard-Case-Krimi, den der Autor dieser Kolumne nicht fertiggelesen hat. Das sagt alles.

"Schmauchspuren"

... erscheint in gedruckter Form seit 2005 in der höchst empfehlenswerten österreichischen Literaturzeitschrift "Buchkultur" - für Menschen, die beim Lesen noch nicht die Lippen bewegen müssen - und wird zeitversetzt Web-exklusiv im EVOLVER veröffentlicht.

Stories_ Nikolas Schreck: Porträt/Part II

$
0
0

Charlie & die Gehirnwäsche-Fabrik


Im zweiten Teil des Nikolas-Schreck-Porträts berichtet der Mann, der einst zur "first family of Satanism" gehörte, über Charles Manson, die Schreckens-Band Radio Werewolf, Anton LaVey - und die Abgründe des Internets.

Er war Bluttrinker, Teufelsanbeter, Deathrock-Musiker, bester Freund des berüchtigtsten Mörders der USA, Magier und Schwiegersohn des Gründers der Church of Satan: Nikolas Schreck. Heute lebt der Mann mit dem vielsagenden Pseudonym in Berlin - und ist gläubiger Buddhist.

Eine Inszenierung in zwölf Akten.

Lesen Sie hier den ersten Teil: Karma-Chamäleon

 

 

5. DIE AKTE MANSON

Auch die nächste Passion Schrecks hatte mit den Abgründen und Skandalen der Traumfabrik zu tun. Schon 1967, als der damals Fünfjährige mit seinem Vater in einem auf Horror spezialisierten Pariser Kino den Polanski-Film Tanz der Vampire sehen durfte, hatte er die "prophetische Institution, daß mit den Menschen in diesem Film etwas Schreckliches, Ehrfurchtgebietendes passieren würde".

Und tatsächlich: Nicht nur schmuddelige Hippies begeisterten sich in den "Sick-sick-Sixties" für Drogen, Hexerei und Schwarze Magie, sondern auch der Promi-Adel der Entertainment-Industrie. In den Hügeln und Tälern rund um L. A. fanden Ende der Sechziger Nacht für Nacht Orgien und Exzesse statt, schlossen Superstars enge Bekanntschaft mit dem Freak-Untergrund und balancierten grenzenlos naiv am Rande des Abgrunds.

In zwei Augustnächten des Jahres 1969 geschah es dann: Sharon Tate, Polanskis hochschwangere Ehefrau und eine der Hauptdarstellerinnen des Vampirtanzes, wurde mit vier ihrer Gäste in ihrer Villa am Cielo Drive brutal ermordet. Einer der Täter schmierte mit Tates Blut das Wort "Pig" an die Eingangstür. Zwei Tage später schlachteten dieselben Killer dann das Ehepaar Leon und Rosemary LaBianca in ihrem Haus ab.

Wenige Monate danach wurden die Schuldigen verhaftet: der Exhäftling Charles Manson, der den Großteil seines Lebens in Haftanstalten verbracht hatte, und seine Hippie-Kommune alias "The Family", die auf einer Ex-Westernfilm-Ranch von Autodiebstahl und Rauschgifthandel gelebt hatten. Der Prozeß gegen die Bande wurde zur Mediensensation, und Manson gilt bis heute als der Mann, der die Hippie-Bewegung eigenhändig zu einem blutigen Ende geführt hat.

Es konnte nicht ausbleiben, daß der junge Schreck sich auch für diesen Gesetzesbrecher begeisterte. "Für mich war Charlie ein armer Freak, dem das Establishment diese Morde anhängen wollte", sagt er heute. "Ich fand alle Feinde des amerikanischen Mainstreams gut - aber auf eine unschuldige, naive, fast dumme Art. Ich war wie ein Wolfskind, das keine Ahnung von der Gesellschaft hatte."

 

Jahre später suchte Nikolas den Kontakt zu Manson. Er korrespondierte mit dem zu lebenslanger Haft Verurteilten, besuchte ihn im Gefängnis, interviewte ihn, verfaßte ein Buch mit dem Titel "The Manson File" (1988) und drehte schließlich ein Jahr später die bis heute in Untergrundkreisen legendäre DokuCharles Manson Superstar. In beiden Werken präsentierte er die Philosophie, die Musik und die spirituellen Ideen des Mannes, der noch heute als schlimmster Serienmörder des 20. Jahrhunderts im amerikanischen Bewußtsein verankert ist - obwohl er in beiden Mordnächten niemanden umgebracht hatte, sondern angeblich nur seine Anhänger mit Hilfe geheimnisvoller Gehirnwäschemethoden zu den Taten angestiftet hatte.

2011 erschien eine neue, auf fast 1000 Seiten erweiterte Version von Schrecks Buch: "The Manson File: Myth and Reality of an Outlaw Shaman" ("Die Akte Manson: Mythos und Realität eines Outlaw-Schamanen"), in dem er den Fall völlig neu aufrollt und mit Hilfe einer Unmenge bisher unbekannter Fakten und Aussagen den Nachweis versucht, daß es sich bei den legendären Morden in Wahrheit um außer Kontrolle geratene Racheakte im Dealermilieu gehandelt habe.

"Ich bin bis heute mit Manson befreundet; er hat mich ursprünglich gebeten, das Buch zu schreiben", sagt Nikolas Schreck stolz. "Bei der Arbeit an der neuen Fassung habe ich dann herausgefunden, wer wirklich hinter den damaligen Morden steckte."

 

 

6. STÖRSENDER

In den moralisch gefestigten, rechtskonservativen USA der Achtziger, als die ehemaligen Hippies längst zu geldgierigen, scheinheiligen Yuppies geworden waren, kam es ganz und gar nicht gut an, wenn man sich für das Schreckgespenst der Nation einsetzte. Doch Schreck, der von "seinem" Gott Seth aus der ägyptischen Wüste ins Mutterland des Feindes zurückbeordert worden war, tat genau das - und noch mehr.

Kaum war er wieder in L. A., gründete er dort die Band Radio Werewolf (deren Name logischerweise auch "böse" Konnotationen hatte), die ihren Probekeller neben den damals noch unbekannten Guns N´Roses hatte. Ihre vom Musiktheater inspirierten Skandalkonzerte nannten sie "Rallies" (= Kundgebungen, Massenveranstaltungen) und bewarben sie mit provokanten Propagandaplakaten. In den Deathrock-Songs des Werwolf-Radios ging es um Serienmörder wie den "Killer-Clown" John Wayne Gacy oder um einen ehemaligen SS-Offizier, der sich an die gute alte Zeit erinnerte: "I can´t forget those midnight strolls on Kurfürstendamm / The way you wore your Luger made me feel like such a man / The world that trembled in our grasp / The Götterdämmerung / We came we saw we conquered / The Triumph of the will ..."

"Das war eindeutig satirisch gemeint", sagt Nikolas, der damals einen Harem aus "Werewolf Youth"-Girls um sich scharte wie ehedem Charlie mit seiner Kommune. "Ich verkörperte all diese 'negativen' Figuren auf der Bühne, wir inszenierten unsere Musik und unsere Auftritte auf parodistische Weise, wie Cartoon-Figuren. Doch sowohl unsere Feinde als auch unsere Fans nahmen alles wörtlich, was wir taten."

Als Radio Werewolf, die "böseste Band der Welt" mit ein paar befreundeten satanistischen Musikern 1988 das Benefizkonzert "Free Manson!" ankündigte, stürzte sich die linke Presse wütend auf Schreck. Gleichzeitig wurden die Fans noch fanatischer, und die Cops in L. A. begannen ihn zu schikanieren: "Ich wurde als faschistischer, nekrophiler Bluttrinker dargestellt - und ich habe ja auch tatsächlich Blut getrunken."

Er trat also die Flucht an, nach San Francisco, wo die eingangs erwähnte Begegnung mit dem Autor dieser Zeilen stattfand ... und wo er wenige Monate danach die Frau seines Lebens kennenlernen sollte. Und zwar mitten in der Hochburg des Teufels.

 

 

7. SATANS HOHEPRIESTERIN

"Es waren stets Frauen in meinem Leben, die mich tiefer und tiefer in das Reich des Dunklen einführten", sagt Nikolas. "Vielleicht liegt das daran, daß Frauen dem Teufel wirklich näherstehen, wie man einst geglaubt hat."

Seine neue Freundin stand zumindest dem Vertreter Satans auf Erden sehr nahe: Zeena war die Tochter von Anton LaVey (1930 - 1997), einem ehemaligen Varieté-Organisten, der in der Walpurgisnacht des Jahres 1966 die Church of Satan gründete (eine der vielen Legenden, die er nachträglich selbst verbreitete; das Datum ist nach neuen Erkenntnissen reine Erfindung) und besagtes Jahr gleich zum ersten des "satanischen Zeitalters" ausrief. LaVeys hedonistische, sozialdarwinistische Kirche zog in den experimentierfreudigen 60er Jahren zahlreiche Prominente wie Sammy Davis, Jr. oder Jayne Mansfield an. Der medienerfahrene Teufelspapst zelebrierte auch öffentlich satanistische Trauungen und Taufen: Zeena wurde im Alter von drei Jahren von ihrem Vater zum Gaudium der staunenden Öffentlichkeit dem "wahren Beherrscher der Welt" geweiht.

1985 - nunmehr erblondet und stets im klassischen Femme-fatale-Stil Hollywoods unterwegs - wurde sie im Alter von 22 Jahren zur Hohepriesterin und offiziellen Sprecherin der Church of Satan. Kaum hatte sie ihren späteren Ehemann Nikolas Schreck kennengelernt, traten die beiden auch schon gemeinsam in US-Talkshows auf, wo sie LaVeys Kirche gegen die damals herrschende "Satanic Panic" mit deren Anschuldigungen bezüglich rituellem Kindesmißbrauch verteidigten.

Es sollte jedoch nicht lange dauern, bis sich das Paar, das von den sensationsgeilen Medien gern als "first family of Satanism" bezeichnet wurde, von Anton LaVey lossagte. "Ich arbeitete damals an einem Buch mit dem Arbeitstitel 'The Demonic Revolution', für das ich schon viele prominente Persönlichkeiten interviewt hatte und auch mit LaVey sprach", erzählt Schreck. "Wir waren zwar eine Zeitlang befreundet, doch ich merkte bald, auch durch Gespräche mit meiner Frau, daß Anton ein notorischer Lügner und Betrüger war."

Nikolas und Zeena ließen die Church of Satan und deren Gründer hinter sich zurück, traten für einige Jahre der schon zuvor von LaVey abgespaltenen Gruppierung Temple of Set bei und zogen sich damit die ewige Feindschaft der streng orthodoxen Teufelsanbeter zu.

 

8. SIT ON MY FACEBOOK

Die diversen satanistischen Sekten in den USA und im Rest der okkulten westlichen Welt bekämpfen einander etwa so vehement wie die kommunistischen K-Gruppen im Deutschland der Siebziger. Statt aber spektakuläre magische Kriege mit Blitz und Höllenfeuer gegeneinander zu führen, beflegeln sie einander lieber im Internet, wo jedes Gerücht schnell zum Selbstläufer wird, auch wenn es mehr als einen Pferdefuß hat.

Nikolas Schreck, so steht es im Web und in diversen Insider-Foren geschrieben, heißt angeblich gar nicht wirklich so. Er soll, so verbreiten seine und Zeenas Feinde seit Jahren, außerdem seine Biographie weitgehend erfunden, das amerikanische Finanzamt IRS betrogen, alle seine ehemaligen Freunde ausgenützt haben und - huch! - noch dazu jüdischer Herkunft sein. Abgesehen davon sei er aber natürlich trotzdem Rassist, Neonazi und überhaupt alles Schlechte, was man (es handelt sich bei den Verbreitern der Gerüchte laut Schreck fast durchwegs um Stalker und fanatische LaVey-Anhänger) auf ihn projizieren kann.

Was die Nazis selbst dazu sagen? Auf einer ihrer prominentesten Websites findet sich der Hinweis, daß "Herr Schreck nichts in unseren Foren posten darf, weil wir hier keine Juden zu Wort kommen lassen". Die Argumentation dreht sich im Kreis - und scheint eine ebenso ausgeklügelte Inszenierung zu sein wie das "wahre Leben" des Mr. Schreck. "Es gibt nur einen Grund, warum all meine angeblichen Freunde plötzlich so gegen mich waren: sexuelle Eifersucht", behauptet er. "Sie haßten Zeena und mich, weil wir verliebt waren und ihren kleinen Frauenhasserklub hinter uns gelassen haben."

Nikolas kommentiert die Gerüchte nicht, weil er das Internet sowieso für eine endzeitliche Erscheinung hält, für "die Barbaren vor den Toren Roms". (UPDATE: Als Schreck Ende 2012 die USA besuchte, kontaktierte er dort auch seinen Anwalt, um juristisch gegen die Hetzkampagne und die Verleumdungen vorzugehen. Seither sind die bösen Gerüchte über Zeena und ihn im Netz wesentlich weniger geworden.)

Dennoch kann auch Nikolas Schreck aus geschäftlichen Gründen nicht umhin, sich ins Web 2.0 zu begeben. Vor einigen Monaten startete er seine eigene, autorisierte Seite in "Herrn Zuckerbergs Werbe- und Geheimdienstagentur", weil dort so viele Betrüger in seinem Namen aufgetreten waren. Die Empfänger seines Newsletters lud Schreck mit folgenden Worten ein: "Sit on my Facebook".

Der diabolische Humor ist ihm schließlich nie abhanden gekommen.

 

Fortsetzung folgt ...

Nikolas Schreck im Gespräch

Aktuelles Interview mit Schreck über die bevorstehenden Konzerte, die Magie der Musik und vieles mehr (in engl. Sprache)

Nikolas Schreck - The Manson File: Myth and Reality of an Outlaw Shaman

Nikolas Schreck auf CD

Radio-Werewolf-CD "The Vinyl Solution/Analog Artifacts: Ritual Instrumentals and Undercover Versions"

Termin-Tip: Transmission Festival

Website des "Tower Transmission Festivals" in Dresden, wo Nikolas Schreck und John Murphy auftreten werden

Nikolas Schreck - Lesung

Nikolas Schreck liest im National Public Radio (NPR) aus seinem demnächst erscheinenenden Roman The Dallas Book of the Dead

Musik_ Spitzenorchester in Grafenegg

$
0
0

Besuche aus Europa ...

... solange es noch steht: Das Jahr 2014 war wieder ein Fest für Grafenegg-Besucher sowie die Intendanz des Festivals. Vier Gastorchester aus ganz Europa lieferten Konzerte auf dem Niveau der Salzburger Festspiele. Man muß sich über die schläfrigen Wiener Konzertveranstalter wundern, die keines dieser Ensembles engagierten.

Der musikalische Orchester-Streifzug durch den Kontinent begann mit Gästen von den britischen Inseln, nämlich dem London Symphony Orchestra - diesmal aber nicht unter seinem Chef Waleri Gergijew, sondern unter dem Leiter der Londoner Covent Garden Opera, Sir Antonia Pappano.

Der nette und bescheidene, dafür aber überaus kompetente und musikalische Maestro gab eine Lehrstunde in Sachen genialer Interpretation und Musikalität. Bei Beethovens erstem Klavierkonzert, das Grafenegg-Intendant Buchbinder souverän intonierte, machte Pappano das Orchester nicht zu einem bloßen "Begleitinstrument", sondern vielmehr zu einem eigenständigen gestaltenden Klangkörper. Es war einfach toll, wie das großartige Ensemble vom Pianisten Phrasierungen übernahm oder umgekehrt an ihn weitergab. So ausmusiziert hört man ein Beethoven-Klavierkonzert selten.

Der Klangzauber setzte sich bei Tschaikowskis "Nußknacker"-Auszügen fort. Hier bekam man Musik des russischen Komponisten fernab vom Gassenhauer- und Wunschkonzertniveau zu hören. Ob beim "Tanz der Rohrflöten", beim "Blumenwalzer", beim "Trepak", beim "Spanischen Tanz" oder dem abschließenden "Pas de Deux" - der italienische Maestro versetzte Orchester und Publikum in einen wahren Klangrausch. Das als Zugabe gespielte Intermezzo von Puccinis "Manon Lescaut" vervollständigte die positiven Eindrücke: ein Abend der Superlative!

 

Auch das zweite Konzert konnte sich hören lassen. Die Rotterdamer Philharmoniker mit ihrem Chef Yannick Nézet-Séguin brachten ein deutsch-russisches Programm, das die Besucher begeisterte. Das große, fast unspielbare erste Klavierkonzert von Brahms wurde vom Hauspianisten Emanuel Ax begeisterungswürdig interpretiert. Das Stück ist nicht nur hochvirtuos gesetzt, sondern schon wegen seiner Länge von mehr als 50 Minuten eine wahre Kraftanstrengung. Doch der polnische Pianist Ax musizierte hier aufs Feinste. Orchester und Dirigent - viel mehr als bloße Begleiter des Klaviers - ließen Ax nicht nur freie Bahn für die Interpretation, sondern machten viele feine Schattierungen und Phrasen hörbar.

Der Dirigent steigerte das Erlebnis bei Rimski-Korsakows "Scheherazade" noch (das Werk ist übrigens fixer Bestandteil der Grafenegger Konzertprogramme). Die Musiker lieferten ein wahres Feuerwerk von Rubati, brillanten Soloeinlagen und Steigerungen. Selten war das manchmal abgedroschen klingende Werk so fulminant zu hören. Als Zugabe durfte man ein zauberhaftes Vorspiel zu Mussorgskis "Chowanschtschina" genießen.

 

Das dritte Konzert mit den St. Petersburger Philharmonikern war noch die "schwächste" der vier vom EVOLVER-Klassikexperten besuchten Veranstaltungen. Die Philharmoniker sind natürlich immer auf technisch höchstem Niveau - jedoch ließ der manchmal starre Dirigent Juri Temirkanow nicht viele Emotionen zu. Rachmaninows drittes Klavierkonzert wurde dank des brillanten Pianisten Nikolaj Luganski zum Ereignis; manchmal hätte man sich allerdings eine bessere "Pianokultur" des Orchesters gewünscht.

Schostakowitschs 10. Symphonie, die mit ihren Klage- und Kriegsklängen eigentlich aufwühlen sollte, geriet wegen des emotionsarmen Dirigenten nur zu einer "orchestralen " Leistungsschau. Hier sehnte man sich geradezu nach dem Mariinski-Orchester. Irgendwie amüsant, daß gerade die für ein russisches Orchester unübliche Zugabe ("Nimrod" aus Elgars "Enigma"-Variationen) noch den größten Eindruck hinterließ ...

 

Besonders bemerkenswert war zu guter Letzt das Grafenegg-Debüt des Orchesters der Mailänder Scala unter Daniel Harding. Nach einer fulminanten Sinfonia zur Oper "Die Macht des Schicksals" konnte man eine orchestral exzellente Wiedergabe der "Vier letzten Lieder" von Richard Strauss erleben. Leider war dabei aber festzustellen, daß die ansonsten so grandiose Sängerin Dorotea Röschmann entweder einen schlechten Tag hatte und/oder ihre Stimme für diese Lieder nicht gerade besonders geeignet ist. Strauss´ Lieder stellen die höchsten Ansprüche an einen Sopran, haben einen enormen Tonumfang und verlangen ständige Registerwechsel. Gerade bei denen hatte Frau Röschmann allerdings oft Luftprobleme, ihre Stimme klang zeitweise "kehlig", und sie konnte häufig die langen Bögen nicht halten. Wenn aber ein angeblich prominenter Rezensent meint, die großartige Sängerin habe mit 47 Jahren den "Zenit ihrer Karriere überschritten", kann man das nur als Unsinn bezeichnen.

Zum Abschluß brachte das Orchester eine beeindruckende Interpretation von Mahlers 1. Symphonie. Mögen die Einsätze der diversen Gruppen auch nicht immer perfekt gewesen sein - mit der ganzen klanglichen Farbpalette, den Schattierungen und Phrasierungen schlugen Harding und die Mailänder Musiker das Publikum in ihren Bann. Dies war übrigens das erste Mal, daß ein Dirigent die Bezeichnung des zweiten Satzes beachtete ("Kräftig, jedoch nicht zu schnell") und hören ließ, daß dieser Teil ein "b´soffener Landler" ist. Das Orchester bedankte sich interessanterweise mit der gleichen Zugabe wie Sir Antonio Pappano (Intermezzo aus Puccinis "Manon Lescaut").

 

Daß die Kulturweltstadt Wien und ihre Veranstalter keines dieser Orchester in ihre Häuser einluden, ist einerseits bezeichnend und andererseits natürlich eine Schande. Da waren vier großartige Ensembles in Grafenegg zu hören, in Graz gastierte das Concertgebouworchester - und im Musikverein sowie im Konzerthaus scheint man das alles verschlafen zu haben.

Orchesterkonzert am 24. August 2014

ØØØØØ
Werke von Beethoven und Tschaikowski

Ludwig van Beethoven: Klavierkonzert Nr. 1 in C-Dur, op. 15

Peter I. Tschaikowski: Auszüge aus dem Ballett "Der Nußknacker"

 

Rudolf Buchbinder, Klavier 

London Symphony Orchestra/Sir Antonio Pappano

 

Konzert am 24. August 2014 im Wolkenturm/Grafenegg

 

(Photo: Musacchio & Ianniello)

Orchesterkonzert am 31. August 2014

ØØØØØ
Werke von Brahms und Rimski-Korsakow

Johannes Brahms: Klavierkonzert Nr. 1 in d-moll op. 15

Nikolai Rimski-Korsakow: "Scheherazade", Symphonische Suite für Orchester op. 35

 

Emanuel Ax, Klavier

Rotterdam Philharmonic Orchestra/Yannick Nézet-Séguin

 

Orchesterkonzert am 31. August 2014 im Auditorium/Grafenegg

Orchesterkonzert am 4. September 2014

ØØØ
Werke von Rachmaninow und Schostakowitsch

Sergei Rachmaninow: Klavierkonzert Nr. 3 in d-moll op.30

Dmitri Schostakowitsch: Symphonie Nr. 10 in e-moll op. 93

 

Nikolaj Luganski, Klavier

St. Petersburger Philharmoniker/Juri Temirkanow

 

Orchesterkonzert am 4. September 2014 im Wolkenturm

 

(Photo: Marco Borggreve)

Orchesterkonzert am 5. September 2014

ØØØØØ
Werke von Verdi, Strauss und Mahler

Giuseppe Verdi: Ouvertüre zur Oper "La Forza del Destino"

Richard Strauss: Vier letzte Lieder für Sopran und Orchester

Gustav Mahler: Symphonie Nr. 1 in D-Dur

 

Dorotea Röschmann, Sopran

Filarmonica della Scala di Milano/Daniel Harding

 

Orchesterkonzert am 5. September 2014 im Wolkenturm/Grafenegg

Kolumnen_ Miststück der Woche III/95 - Leserwunsch #5

$
0
0

Subway To Sally: "Maria"


Und weiter geht es. Dieses Mal nimmt euch unser Merkwürden Manfred Prescher auf eine Zeitreise mit - und erfüllt nebenbei einen weiteren Leserwunsch. Mit besten Grüßen an den Sachsen mit der endcoolen Stimme. Ihr anderen, die ihr zwischen Cossebaude, Bad Dingenskirchen und St. Nimmerlein an der Glaan lebt, dürft euch natürlich ebenfalls weitere Songs wünschen. Drum lasset eure Liedlein zum Kolumnisten kommen!

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

 

Bevor es hier um den eigentlichen Wunsch der Woche geht, muß ich glatt noch ein paar Sätze über eine Marketing-Aktion - besser über die merkwürdigen Folgen davon - verlieren. Und mich jetzt schon fragen, wie ich wohl den Übergang zwischen den beiden Themen hinkriegen werde. Vielleicht lasse ich einfach eine klapprige Rakete durch die Webseite rauschen, als Hommage an das Intermezzo aus "Das Leben des Brian". Ach, egal, gesegnet sei die Kolumne, geistreich und gut.

Vor kurzem stellte Apple neue iPhones vor. Das ist nix Besonderes, weil das Unternehmen uns ohnehin jedes Jahr via Event und Video-Keynote-Verlinkung mindestens ein neues Telefönchen nahebringt. Seit der Hl. Steve seine Jobs von oben erledigt, ist das Ganze zwar eine eher fade Angelegenheit, aber ich ertappe mich doch stets dabei, neugierig darauf zu warten, was das Wundergerät denn nun noch alles kann. Dieses Mal zeigte uns Apple, was technisch alles möglich ist - und die Welt wunderte sich.

Daß U2 ihr neues Album gleichzeitig mit den neuen Produkten vorstellen durften, ist OK. Wir reden schließlich von Nobelkapitalismus, und Bono und Co. werden kaum bei der Präsentation des neuen Aldi-Laubsaugers auftreten, was freilich schade ist. Wunderlicher ist aber, daß die - geschätzt - Milliarden von iTunes-Nutzern das Werk der ehemaligen Supergruppe kostenfrei in die Cloud bzw. auf ihre mit dem Dienst verbundenen Endgeräte geschaufelt bekommen haben. Was ist aber das Merkwürdigste an der Aktion, die sich für das angebissene Äpfelchen genauso rechnete wie für U2 und deren Plattenfirma Universal Music? Das will ich euch verraten: Eine Woge der Entrüstung schwappte durch das Netz. Menschen, die sowieso alles und jedes umsonst haben wollen, waren sauer. Ein U2-Album? Ie-Bäh! Und dann noch mittenmang rein ins ach-so-geschützte Privatleben. Ich vermute, daß ausgerechnet die Leute am meisten über die Verletzung ihrer Intimsphäre motzten, die im Gesichtsbuch und via Apps sowieso alles von sich preisgeben. Dabei weiß doch jeder Apple-User, wie fest der Konzern seine Gadgets im Griff hat. Wen das stört, der muß zwangsläufig ein anderes Handy kaufen. Aber Vorsicht! Google, Microsoft oder Amazon beherrschen die gleichen Techniktricks. Über das neue U2-Album sollte man sich dann doch vielleicht ein bisserl freuen. Denn einem geschenkten Barsch schaut man nicht ... Dafür ist es dann sogar recht ordentlich geraten. Ist die Kunst umsunst, soll sie steigen in der Gunst!

 

Um ein Langes kurz zu machen: U2 ist natürlich in allen größeren Gemarkungen auch die Bezeichnung für eine U-Bahn-Linie. Bei uns in Norishausen fährt sie von Röthenbach bis zum Flughafen bzw. nach Ziegelstein. Oder, um es mit einem alten Lied, das mal Glenn Miller und Udo Lindenberch zu Gehör brachten, zu sagen: "Entschuldigen Sie, fähd dei Bohn dou nach Fädd nou?"/"Na, goude Fraa, die fähd aaf Ziegelstaa."

Mit etwas Glück fährt sie dann auch bei Sally vorbei, die möglicherweise von Potsdam nach Franken gezogen sein könnte. Eigentlich müßte die mittelalterliche Stadt mit ihren wehrhaften Türmen, den Patrizierhäusern oder der riesigen Burganlage, um die sich Sagen wie die des Ritter Eppelein ranken, Sally und ihren Mitstreitern auch ganz gut gefallen. Schließlich tragen ihre Platten seit Anfang der neunziger Jahre den Stempel "Mittelalterrock" als Gütezeichen und Hinweis darauf, daß früher alles besser und die Welt voller Schalmeien war. Das Signet paßt auch irgendwie gut zu dem Septett, das sich via Folk und Rock dem angeblich so finsteren Zeitalter annäherte. Obwohl es - zumindest im eigentlich damals recht modernen Nürnberg - weder U-Bahn noch E-Gitarre gegeben hat. Beides wurde ja, wie wir nun seit der berühmten Keynote von 2007 wissen, von Apple entwickelt, oder man hat irgendwann die Patente von Google gekauft.

Doch zurück zur Band um den Sänger Eric Fish, der (wenn auch in der Regel nicht gleichzeitig) auch Schalmei und Dudelsack spielt: Mit unserem Wunschsong "Maria" endet das dritte, konsequent in mittelalterlicher Symbolik nebst Ratten, Tod und Teufel getauchte Werk "Foppt den Dämon!" Produziert wurde das Album übrigens von Sven Regener, dem schriftstellernden Chefdickschädel von Element Of Crime. Für den melancholischen Barden war das, wie er sagt, eine sehr interessante und wichtige Erfahrung. Das Ergebnis kann sich hören lassen und gipfelt dann in den düster-lüsternen Zeilen von "Maria": Der Nebel will nach Hause, genauso wie der Erzähler. Er will mit seiner Liebsten schlafen, die beiden küssen sich die Lippen wund, wie es im Lied heißt. Das deucht mir doch recht schmerzhaft, vielleicht sollte das Paar ein wenig Creme oder Melkfett auftragen? Oder einfach mal an anderen Stellen knutschen? Aber wer bin ich, dem mittelalterlichen Treiben Einhalt oder Struktur geben zu wollen?

"Maria" wirkt nicht sinnlich, es hat für mich den Anschein, als ob die beiden Liebenden mit dem letzten Akt das irdische Hofschauspiel verlassen wollen. Die morbide Instrumentierung tut ein Übriges, Melodie und Text drücken dem Hörer Bilder in den Kopf - wer Hieronymus Bosch kennt, der weiß, was ich meine: schwarzes Haar, das sich wie Efeu um den Hals legt? Das klingt auch eher nach Würgen und Erwürgen. Wer Bosch - den Erfinder der 8-Kilogramm-Schnellwaschmaschine - kennt, der weiß wiederum, daß Blutflecken bei 30 Grad schlecht rausgehen. Ich laß´ sie also in dem Lied drin, es waren halt harte Zeiten annoschnupftabak. Damals im Mittelalter und erst recht im früheren Potsdam, von dem Alexander von Humboldt behauptete, es sei eine "öde Kasernenstadt" und von dem Fürst Moritz von Nassau 1664 meinte: "Das ganze Eylandt muß ein Paradeys werden". Was man später, unter preußischer Ägide, zumindest optisch hinbekam.

Jesus, Maria und Josef - auch nächste Woche erfülle ich euch einen Wunsch. Und zwar werde ich dann über ein sehr lustiges Kleinod aus der Punkzeit schreiben. Tonio K. und sein "The Funky Western Civilisation" ist auf jeden Fall eine Entdeckung wert. Genau wie manches Lied von Subway To Sally. Über die schrob ich, wie dem einen oder der anderen noch erinnerlich sein wird, schon in  "Miststück der Woche II, Pt. 17". Damals gewann die Gruppe den Bundesvision Song Contest ...

Ihr gewinnt jetzt am besten etwas Abstand und lest nächste Woche wieder rein. Das würd´ mich freuen. In der Zwischenzeit paßt auf die Lippen eurer Liebsten auf. Was wundgeknutscht wird, tut einfach weh! So macht doch all das Getechtel keinen Spaß mehr. Vielleicht hört ihr euch beim Kuschelmuscheln das neue Album von U2 an? Dann werdet ihr selig schlummern, bevor die Lippen rissig werden. Garantiert. Den letzten Track werdet ihr dann eh nicht mehr mitbekommen, der ist aber dann - wie bei Subway To Sallys "Foppt den Dämon!" - das Highlight der Platte.

 

 

Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Subway To Sally: "Maria"

Enthalten auf der CD "Foppt den Dämon!" (R. Rooster/Sony Music)

Stories_ Nikolas Schreck: Porträt/Part III

$
0
0

"Erleuchtete Wesen"


Nach der Flucht aus Europa bereute Nikolas Schreck einiges aus seinem früheren, "bösen" Leben - und machte eine weitere Wandlung durch. Heute folgt er den Lehren des Buddha und unterrichtet auch andere darin. Die Welt ist ohnehin nur Illusion ...

Er war Bluttrinker, Teufelsanbeter, Deathrock-Musiker, bester Freund des berüchtigtsten Mörders der USA, Magier und Schwiegersohn des Gründers der Church of Satan: Nikolas Schreck. Heute lebt der Mann mit dem vielsagenden Pseudonym in Berlin - und ist gläubiger Buddhist.

Eine Inszenierung in zwölf Akten.

Lesen Sie hier den ersten Teil: Karma-Chamäleon

 

 

9. FESTUNG EUROPA

Zwischenspiel: Wien, Anfang der Neunziger. Ich besuche Nikolas und Zeena in einer Mietwohnung im teureren Teil des dritten Bezirks. Die Räume sind naturgemäß schwarz ausgemalt und verdunkelt, im Vorzimmer bleckt ein ausgestopfter Wolf die Zähne, und irgendwo weiter hinten in den Zimmerfluchten schlafen sie in Särgen, wahrscheinlich aber nur bei Tag.

Warum sie ausgerechnet in die Hauptstadt der alten K.u.k.-Monarchie übersiedelt sind? "Erstens war meine Großmutter Österreicherin, und zweitens mußten wir aus Amerika flüchten", sagt Nikolas. "Nach Zeenas Bruch mit ihrem Vater wurde die Situation für uns immer schlimmer - und als uns praktisch gleichzeitig ein christlicher Cop aus L. A. und der Serienmörder Richard Ramirez davor warnten, daß die Behörden hinter uns her seien und uns irgendwelche Morde anhängen wollten, haben wir dieses schreckliche Land schnellstens verlassen. Sonst wären wir heute im Gefängnis oder vielleicht auch tot."

Sie kamen nicht ohne Geld nach Wien: Dank einer äußerst kostspieligen Copyright-Verletzung der TV-Sendung "Current Affair", die ohne Erlaubnis Teile von Schrecks Manson-Interview ausgestrahlt hat, sind sie für einige Jahre in der "Festung Europa" gut versorgt. Jetzt nehmen sie gemeinsam als Radio Werewolf Platten auf, schreiben Sachbücher wie "The Satanic Screen" über den Teufel im Kino oder "Demons of the Flesh" über Sexualmagie, halten geheimnisvolle Treffen mit europäischen Sympathisanten ab.
Ich treffe die beiden ein paar Mal zu höchst kultivierten Restaurantbesuchen (sie geben sich "more European" als die echten Europäer); unternehme mit ihnen eine Tagesreise zur Burg Čachtice, wo 1614 die "Blutgräfin" Erzsébet Báthory eingemauert ihr grausames Leben aushauchte - und verliere sie dann für ein paar Jahre aus den Augen.

 

 

10. SPIEL MIT DEM FEUER

Und jetzt sitzen wir einander wieder gegenüber. Im idyllischen Berliner Grunewald, im Garten eines kleinen Ausflugslokals am Wasser - ich immer noch Journalist, aber er nicht mehr Satanist, sondern ganz im Gegenteil. Bevor mir Nikolas aber von seinem neuen Glauben erzählt, will er seine Beichte ablegen.

"Aus dem, was ich bisher erzählt habe, könnte man den Eindruck gewinnen, das wäre alles gut und lustig und interessant gewesen - aber das war es absolut nicht", sagt er. "Das Erwecken dieser dämonischen Mächte hatte extrem negative Auswirkungen." Als Beispiel für die üblen Folgen berichtet er vom ersten Werewolf-Keyboarder, der verrückt geworden ist, mittlerweile auf der Straße lebt und den Passanten bis heute die alten Songs vorspielt. "Alles, was mit diesen Dingen zu tun hatte, führte zu Negativität, Wahnsinn und lebensbedrohlichen Situationen", warnt er. "Es ist weder witzig noch romantisch, und schon gar nicht glamourös oder interessant. Wenn man mit Mächten spielt, denen das Wohl der Menschheit vollkommen gleichgültig ist, dann werden sie einen zu zerstören versuchen."

Die Leute an den Nebentischen werfen uns verstohlene Blicke zu, als ich Nikolas frage, ob er etwas aus seinem früheren Leben im Dienste Satans bereut - und er antwortet: "Ich bedauere nicht, daß ich durch den Teufel die spirituelle Welt betreten habe. Er ist halt einfach der erste, der einen dort erwartet, und mittlerweile ist er wie ein alter Freund, mit dem ich keinen Kontakt mehr habe. Aber ich glaube, daß ich mit meinem Wissen um das 'Böse' heute anderen besser helfen kann. Ich kenne die negativen menschlichen Seiten aus eigener Erfahrung und weiß mehr darüber als der Papst."

Was er wirklich bedauert? Daß er zu vielen Menschen "grausam war, gefühllos und nur auf mein eigenes Vergnügen bedacht". Daß sein Einfluß bis heute andere dazu bringt, ihn imitieren zu wollen, was - wie er sagt - zu Haß, Gewalt, Egoismus und Dummheit führt. Und daß er den schnell banal und schal gewordenen Gruftie-Chic mitgeschaffen hat, von dem Leute wie Marilyn Manson ("Der hat einfach unsere Show gestohlen, als Radio Werewolf aufgehört haben") oder die grausam dumme Sado-Maso-Burlesque-Szene bis jetzt ganz gut leben.

Für "böse" hält der ehemalige Teufelsanbeter die höllischen Mächte, die ihn dazu inspiriert haben, aber nach wie vor nicht: "Sie tun einfach, was sie tun; sie sehen sich selbst nicht als böse, weil sie mit solchen Begriffen gar nichts anfangen können. Sie sind wie grausame Kinder."

 

 

11. LISTEN TO THE VOICE OF BUDDHA

Im Buddhismus gibt es ein Entsagungsritual, in dem man um Vergebung und Reinigung bittet. Vielleicht denkt Schreck genau daran, als er kurz die Augen zu einem stillen Gebet schließt, bevor er die Mehlspeisgabel in seine Torte versenkt.

Er ist seit 2003 praktizierender Buddhist, hat sich über seine und Zeenas Beschäftigung mit fernöstlichem Mystizismus der viertgrößten Weltreligion angenähert und durch intensive Meditation erkannt, daß die buddhistische Realitätssicht die richtige ist, wie er sagt.

Aber so einfach ist das natürlich auch wieder nicht: Im Gegensatz zu den vielen Modebuddhisten im Westen, die ihren neuen Glauben locker und entspannt praktizieren, weil das eben gerade angesagt und so beruhigend ist, hat sich das Ehepaar Schreck für den tantrischen Buddhismus entschieden. In diesem Zweig der Glaubensrichtung sind Magie und Zauberei etwas völlig Normales, die Götter sehen für Uneingeweihte wie Monster aus, und bei den Ritualen spielt auch Sex (der dort allerdings mehr wie Meditation und Yoga ist als der Sex, den Normalbürger im Schlafzimmer oder Swingers-Club praktizieren) eine Rolle.

"Die Karma-Kagyü-Schule, der wir angehören, ist der linkshändige Pfad des Buddhismus", erläutert Nikolas. "Dabei geht es im wesentlichen darum, daß man mit dem arbeiten muß, was man in der Welt und im menschlichen Geist vorfindet. Man verwendet die angeblich negativen Aspekte der menschlichen Existenz, statt ein weltabgewandter, asexueller Mönch zu werden. Nimm die Welt, wie sie ist, einschließlich Zorn, Haß und Lust - und arbeite damit, um deinen Bewußtseinszustand zu verändern und ein erleuchtetes Wesen zu werden."

Das Ego, das Ich, die Person Nikolas Schreck zählen jetzt nicht mehr. Alles ist nur Illusion. Die Welt ist leer, alles in ihr leidet und kann nur durch den Buddhismus erweckt werden. Das Karma ist real; jeder von uns ist das Ergebnis seiner Handlungen und wird so lange in der physischen Realität wiedergeboren, bis er die Kette der Reinkarnation bricht und befreit ist.

"Ich hatte jahrzehntelang mit allem zu tun, was gemeinhin als 'böse' gilt", schließt Schreck die Geschichte seiner Bekehrung vorerst ab. "Ich kannte Mörder, Nazis, Satanisten und Betrüger, alle möglichen extremen Persönlichkeiten. Zeena und ich bekommen heute noch täglich Fanbriefe von Leuten, die dank der Kontextlosigkeit des Internets glauben, daß das alles erst gestern passiert ist ...

Im buddhistischen Milieu kennt man die wilden Geschichten über ihn zwar auch, aber "sie sind jedem völlig egal - vom Dalai Lama bis zu unserem Lehrer. Es geht nicht um Gut oder Böse, sondern darum, die Realität richtig wahrzunehmen."

 

12. SPECIAL TYPE

Doch was wäre die Wirklichkeit ohne die Fiktion, ohne all die schönen Inszenierungen, ohne die Kunst?

Als wir nach dem Interview durchs Herbstlaub Richtung Schnellbahn zurückspazieren (übrigens trotz der anfänglichen "Drohung" immer noch lebendig und guter Dinge), erzählt Nikolas von seinen Plänen. Nach all den Sachbüchern und seiner Autobiographie möchte er sich endlich auf die Belletristik stürzen und dicke historische Romane schreiben, mindestens eine Trilogie. Auch Musik will er wieder machen, aber keinen Goth-Deathrock à la Radio Werewolf mehr, sondern lieber ein Soloprojekt mit fernöstlich angehauchtem Psychedelic-Sound. (UPDATE: Schrecks derzeit wichtigstes Musikprojekt ist Kingdom of Heaven, bei der er mit dem Multiinstrumentalisten James Collord zusammenarbeitet. Siehe dazu auch die Links am Ende des Artikels. Seine Eastern-Psychedelic-Pläne wird er mit den Live-Konzerten in Dresden, Leipzig etc. zu realisieren beginnen.)

Irgendwann in nächster Zeit wird er noch einmal in die USA zurückkehren müssen, widerwillig zwar, aber wegen dringender geschäftlicher Angelegenheiten und um die Reste seiner Familie zu besuchen: seine achtzigjährige Mutter - und den nur drei Jahre jüngeren Charles Manson, der bis heute im Gefängnis sitzt. "Ich bin immer noch mit Charlie befreundet, auf eine sehr komplizierte Art. Wir streiten manchmal wie ein altes Ehepaar. Er ist wie ein Familienmitglied für mich, mit denen versteht man sich auch nicht zwangsweise immer gut." (UPDATE: Das ist mittlerweile natürlich schon passiert - wie man an der Gefängnis-Erinnerungsaufnahme mit dem langbärtigen Propheten Charles Manson erkennen kann.)

Beim Abschied sagt er uns noch, daß wir zu Hause einen Blick auf seine Website werfen sollen. Dort sieht man ein Photo von ihm, auf dem er als Statist im Science-Fiction-Meisterwerk Blade Runner zu sehen ist: ein Passant mit halbverhülltem Gesicht und Mütze, der desinteressiert an einem Metrokab vorbeigeht, auf dem Harrison Ford, die Waffe in der Hand, gerade nach einem Replikanten Ausschau hält. Die Kategorie, unter der Kleindarsteller wie Nikolas Schreck damals im Filmnachspann geführt wurden, heißt "Special Type".

Besser kann man ihn wohl kaum beschreiben.

 


Nikolas Schreck im Gespräch

Aktuelles Interview mit Schreck über die bevorstehenden Konzerte, die Magie der Musik und vieles mehr (in engl. Sprache)

Nikolas Schreck - The Manson File: Myth and Reality of an Outlaw Shaman

Nikolas Schreck auf CD

Radio-Werewolf-CD "The Vinyl Solution/Analog Artifacts: Ritual Instrumentals and Undercover Versions"

Termin-Tip: Transmission Festival

Website des "Tower Transmission Festivals" in Dresden, wo Nikolas Schreck und John Murphy auftreten werden

Nikolas Schreck - Lesung

Nikolas Schreck liest im National Public Radio (NPR) aus seinem demnächst erscheinenenden Roman The Dallas Book of the Dead


Print_ Jeffery Deaver - Todeszimmer

$
0
0

Im wahrsten Sinne des Wortes

Eine Wendung jagt die nächste im neuen Thriller des US-Erfolgsautors. Leider bleiben dabei die Figuren auf der Strecke.

»Komm schon, Roberto. Wieso hackst du auf dem einen Land dieser Erde herum, in dem du all diese Dinge sagen kannst, ohne dafür in irgendeiner Gasse erschossen oder mitten in der Nacht in ein Geheimgefängnis verschleppt zu werden? Beruhige dich.«

 

Ganz so einzigartig, freiheitlich und beruhigend, wie Jeffery Deaver es in seinem neuen Thriller "Todeszimmer" gerne hätte, sind die Vereinigten Staaten von Amerika natürlich nicht, denn daß die Geheimdienste und Heimatschutzbehörden nahezu entfesselt agieren, ist seit Edward Snowden nichts Neues mehr. Und daß Kritik an dieser unkontrollierten Arbeit unerwünscht ist, hat sich mittlerweile auch herumgesprochen. Wer trotzdem Zweifel äußert, wird aus dem Weg geräumt.

So einfach funktioniert das, glaubt Staatsanwältin Nance Laurel. Sie ist überzeugt: Shreve Metzger, Direktor des National Intelligence and Operation Service, hat den regierungskritischen US-Bürger Roberto Moreno auf den Bahamas kaltblütig umbringen lassen.

Woher Laurel ihr Wissen nimmt, erklärt sie nicht. Sie weiß es einfach. Punkt. Weshalb sie eine Klage gegen Metzger und - aufgepaßt! - den amerikanischen Präsidenten anstrengen möchte. Für die notwendigen Beweise sollen der querschnittgelähmte Ex-Cop Lincoln Rhyme und seine Partnerin Amelia Sachs sorgen. Weil allerdings hier wie dort die Behörden mauern, muß Rhyme erstmals seine heiligen vier Wände in New York verlassen und an einen Tatort reisen.

Auf den Bahamas zeigt sich schon bald auf dramatische Weise: Alles ist ganz anders, als es ursprünglich ausschaute. Und von da an hetzt Deaver den Leser von einer neuen Überraschung zur nächsten, bis er kurz vor Schluß abermals alle Erkenntnisse durcheinanderwirbelt.

Keine Frage, das ist Deaver, wie er leibt und lebt: Eine Wendung jagt die nächste, und selbst das Finale ist nicht wirklich das Ende, denn zu guter Letzt - im Finale nach dem Finale - stellt Deaver noch ein weiteres Mal alles auf den Kopf. Schade, daß er dabei allerdings sämtliche vorangegangenen, berechtigten Zweifel an den US-Behörden über den Haufen wirft und dann doch noch in den üblichen Hurra-Patriotismus verfällt.

Darüber könnte man glatt hinwegsehen, hätte Deaver in seinem Bemühen um immer neue abenteuerliche Wendungen nicht seine Charaktere aus den Augen verloren: Die sind nur blasse Pappfiguren, die wie aus einem Schreibratgeber für angehende Thriller-Autoren entsprungen scheinen. Die Guten sind die Guten, die Bösen die Bösen, dazwischen gibt es nichts. Obendrein hat jeder dieser Bösewichter noch eine ganz besondere Macke, als würde die ihn irgendwie noch böser machen. Gefährlicher. Diabolischer. Oder was auch immer. Interessieren tut´s kaum. Keine der Figuren berührt den Leser.

Was im übrigen auch daran liegt, daß Deavers Hang zu ausführlichen Umschreibungen nahezu jede Gefühlsregung beim Leser erstickt (von der Langeweile abgesehen). Da wird dann nämlich nicht einfach Angst empfunden, sondern:

 

»Sachs lief im wahrsten Sinne des Wortes ein Schauder über den Rücken.«

 

Ach was? Im wahrsten Sinne des Wortes?

 

Stories_ Die Ukraine - Unterwegs im Osten Europas/Teil 1

$
0
0

"We wish you a pleasant stay and good luck"

Martin Zellhofer war 2011 unterwegs in Odessa, Dnjepropetrowsk, Jalta und Sewastopol: Nichts, aber auch gar nichts, ließ eine Ahnung zu, was dort 2014 passieren sollte. Der Reise erster Teil.

Beim Flug von Wien nach Odessa bekommen die Passagiere eine Art gefülltes Sandwich serviert, dessen Verpackung allen Ernstes darauf hinweist, daß dieses undefinierbare, fettige Etwas "no negative effect on our body" habe - auch wenn das nach dem ersten Bissen schwer zu glauben ist. Zum Trost wird das Bier noch in Halbliterdosen verteilt, das ist beim Fliegen schon selten geworden. Beim Anflug auf Odessa gibt man uns ein herzhaftes "We wish you a pleasant stay and good luck" mit.

Glück? Wofür? Das macht uns stutzig. Obwohl am Flughafen nicht viel los ist, bilden sich nach Ankunft unserer ohnehin nicht besonders großen Maschine sofort nur langsam vorrückende Schlangen an den Einreiseschaltern. Die Immigration-Card, die auf Anweisung von Hinweistafeln sorgfältig auszufüllen ist - und die, wenn man diversen Reiseführern und Reiseberichten Glauben schenkt, das wichtigste Dokument unserer Reise sein soll - wird vom Beamten am Einreiseschalter in den Mist geworfen. Die brauchen wir nicht, wird uns bedeutet. Das ist beunruhigend, denn Gerüchte erzählen von Schwierigkeiten mit der Polizei, Mitnahme auf Polizeistationen und geforderten Schmiergeldzahlungen, wenn man diese Karte nicht vorweisen kann. 

Außerhalb des Flughafens sind schlagartig alle Hinweise nur noch in kyrillischen Schriftzeichen. Keiler versuchen uns eine Taxifahrt in die Stadt anzudrehen, der Bus sei außer Betrieb, behaupten sie. Das stimmt natürlich nicht. Mit dem Busfahrer ist dann aber keine Verständigung möglich. Wir wundern uns, daß er uns keine Fahrscheine verkauft und lernen als wichtige Lektion: Busfahrten werden erst beim Aussteigen bezahlt. Fahrgäste mit Englischkenntnissen sorgen dafür, daß wir in Hotelnähe landen.

Es ist ungut, nichts lesen und verstehen zu können. Das kyrillische Alphabet ist anstrengend; wie blind werde ich die nächsten drei Wochen durchs Land taumeln. Viele Ukrainer sprechen Russisch, sodaß immerhin Reisegefährtin L. ihre bescheidenen Schul-Russischkenntnisse einsetzen kann und uns damit vor allem bei Bahn- und Bus-Angelegenheiten oft aus der Bredouille rettet. Glücklicherweise funktioniert die  Kommunikation an touristischen Hotspots in den Innenstädten öfters auf Englisch: in Restaurants, Fast-Food-Buden, Souvenirläden und Museen können wir uns meistens verständigen, Speisekarten sind auch oft auf Englisch. Das ist auch gut so: Obwohl ich nicht aufgebe, schaffe ich es in drei Wochen nicht einmal, die einfachsten kyrillischen Buchstaben, geschweige denn Worte zu entziffern. Zudem stoßen wir überall auf enorme Hilfsbereitschaft. Mit Händen und Füßen, Fingern und Taten werden wir in die richtige Straßenbahn gesetzt oder man kauft uns Tickets. Und wenn gar nichts geht, halten wir zum Bezahlen eine Handvoll Münzen hin - das klappt auch.

 

Odessa am Schwarzen Meer hat etwa eine Million Einwohner und ist laut, schnell, schrill, voller Touristen und voller Verkehr. Das Zentrum ist die Präsentiermeile der Reichen und Schönen. Noble Autos und noble Passanten prägen die Innenstadt. Sehr viele Frauen sind gestylt und figurbetont gekleidet, während die männliche Begleitung mit Bierbauch, Ruderleiberl und sogar oben ohne daherkommt. Im Zentrum existieren zahlreiche schicke Restaurants und Cafés, viele sind mit viel Liebe zum Detail individuell eingerichtet und für dortige Verhältnisse sauteuer. Das große Bier beim Wirten in der Innenstadt kostet 20 Hrywnja (das sind 2011 circa 1,90 €; heute wesentlich weniger), abseits der Touristenpfade acht (ungefähr 75 Cent). Wenn unsere Sechs-Personen-Gruppe essen geht, passiert es immer wieder, daß wir nicht alle gleichzeitig, sondern stark zeitversetzt unser Essen serviert bekommen. Etwas ungewohnt schmeckt Kwas, ein aus Wasser, Roggen und Malz gegorenes, leicht alkoholisches Getränk, das allerorts aus kleinen Tankwagen gezapft wird. Riecht wie Brot, schmeckt wie Brot, ist aber nicht ungut.

Odessa wurde ab 1794 planmäßig und streng geometrisch angelegt. Das ergibt ein interessantes Stadtbild, in dem alte Architekturstile völlig fehlen und Klassizismus und Historismus dominieren. Im Zentrum erstrahlt vieles in neuem Glanz, andere Gebäude werden gerade renoviert. Erstaunlich wenig ist, zumindest vordergründig, desolat oder schäbig. Betritt man Innenhöfe, schaut die Sache schon anders aus. Breite Boulevards, manche gepflastert und dadurch besonders hübsch, durchziehen die Stadt. Da fast alle Straßen baumbestanden sind, kann man stets im Schatten gehen.

Architektonische Highlights: die ab 1837 erbaute und erst ab 1955 Potemkinsche Treppe genannte Verbindung vom Hafen hinauf in die Stadt; die vor allem aufgrund ihrer Geschichte interessante Verklärungskathedrale, die 1932 geschlossen, 1936 von den Kommunisten gesprengt und ab 1999 so weit wie möglich originalgetreu wieder aufgebaut wurde; und das 1887 eröffnete Opernhaus von Fellner & Helmer, die unter anderem auch das Hotel Panhans am Semmering, das Volkstheater in Wien oder die Oper in Prag errichtet haben. Auch am Rand der Innenstadt, in den Vierteln, in die sich kaum Touristen verirren, dominiert die Gründerzeit, aber der Zustand der Bauwerke ist oft sehr schlecht. Hier ist lange nichts renoviert worden. In Bahnhofsnähe werden ganze Straßenzüge vom Altbaubestand befreit, stattdessen stellt man Hochhäuser hin. Manche der vor dem Abriß stehenden Altbau-Bruchbuden sind noch bewohnt. Ein enormer optischer Kontrast ...

 

Im Bahnhofsviertel befindet sich auch der gigantische Pryvoz-Markt. Ein großer Saal bietet nur Fleisch. Gehäutete Schafsköpfe sind ein gewöhnungsbedürftiger Anblick. In einem anderen Saal gibt es ausschließlich Topfen und Butter in großen Klumpen, die gewünschte Menge wird vor Ort verpackt. Im nächsten findet man frischen, geräucherten und getrockneten Fisch. Dann Gemüse und Obst aller Art - getrocknet, eingelegt und frisch. Und Plunder und Ramsch für den mehr oder wenigen täglichen Gebrauch. Und das alles um einen Spottpreis.

Auf den im Reiseführer empfohlenen hippen Strandabschnitt Arkadia verzichten wir, stattdessen wollen wir mit der Straßenbahn an den Strand bei Lustdorf fahren, das um 1800 als Siedlung deutscher Auswanderer gegründet wurde. Hört sich einfach an, aber es dauert, bis wir kapieren, wo und wie man Tickets kauft (ein Einzelfahrschein kostet umgerechnet 10 Cent) und welche Linie da hinfährt. Durch Plattenbausiedlungen und an Ausfallstraßen vorbei geht es stadtauswärts. Die Häuser werden niedriger, die Gegend wird ländlicher und schließlich dörflich. Felder, Gstetten und Gemüsegärten säumen den Weg. Wie Autos über Schlaglochpisten rumpeln, sind wir hier auf Schienen unterwegs. Die Straßenbahn schwankt wie ein Schiff und ist laut wie ein alter LKW. Nach unendlich langer Fahrt reicht´s - wir sehen das Meer und steigen aus. Lustdorf wäre noch ewig weit weg. Der Strand ist aus der Nähe betrachtet nicht besonders einladend. Eine Badende fragt uns, ob wir "auch aus Deutschland" sind. Als ob hier sonst irgendwer aus Deutschland wäre, also ob hier sonst jemand westlicher Tourist wäre. Sie (aus Deutschland) hat einen Ukrainer geheiratet. Seit acht Jahren ist sie nicht hier gewesen und jetzt erstaunt, wie teuer alles geworden ist.

Abends kaufen wir Bier am Straßenrand. Zwei von uns öffnen ihre Flaschen gleich, daraufhin werden wir von der Polizei angehalten. Paßkontrolle, dann sollen wir aufs Revier gebracht werden, Strafe zahlen. Trinken ist auf Odessas Straßen nämlich verboten. "Friend will take you to the police station", erklärt der sehr junge Polizist mit dem einzigen Satz, den er auf Englisch sagen kann. Das scheint eine der Situationen zu sein, von denen die Reiseführer berichten: Gegen einen Obolus am Revier soll man dann wieder gehen dürfen. Der "friend" ist dann allerdings ein älterer Kollege, der uns unwirsch zu verschwinden bedeutet - und den jungen unwirsch zurechtzuweisen scheint.

Obskur ist der Zoo in den Straßen: Man kann Pferde reiten und sich mit Schlangen, Affen, Tauben, Falken, Hasen, Chinchillas, Pfauen, Ponys oder Babyalligatoren photographieren lassen. Man kann sich aber auch in Barockkleidern, Uniformen der Roten Armee und der Deutschen Wehrmacht hinstellen. Vor vielen Denkmälern stehen Menschen Schlange, um mit der dargestellten Person oder dem dargestellten Ding auf einem Photo zu landen - ob das nun ein berühmter Literat, ein Feldherr oder ein abstrakter Gegenstand ist.

 

 

Nach ein paar Tagen fahren wir mit dem Nachtzug nach Dnjepropetrowsk. Die Fahrt im 4er-Liegewagen kostet ohne Ermäßigung ca. 12 Euro pro Person. Zum Vergleich: Um den Preis kann man in Österreich gerade einmal von Wien nach St. Pölten fahren. Mit uns im Abteil fährt Roman, ein junger Rechtsanwalt. Er spricht fließend Englisch, beantwortet uns ohne Ende Fragen und gibt Tips. Zum Beispiel, daß Händeschütteln zur Begrüßung und Verabschiedung unter Männern üblich sei, nicht aber zwischen Mann und Frau. Und er ist gewaltig pessimistisch: Die prowestliche Regierung unter Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko sei nicht besser gewesen als andere zuvor oder danach, die sich nach Osten orientieren. Eine korrupte Regierung ersetze bloß eine andere. Die Demokratie funktioniere nicht, ohne Geld und Beziehungen gehe karrieretechnisch gar nichts. Nur eines erwähnt er nicht: irgendeinen Nationalitätenkonflikt zwischen Russen und Ukrainern, der kurz darauf zum Problem werden sollte. Und ja: Alkohol in den Straßen ist verboten. Er empfiehlt uns, Wodka erst ab umgerechnet 4 Euro zu kaufen, denn dann bekämen wir erstklassige Ware. In den Schnapsabteilungen ist das Wodkaangebot zwar enorm - aber wir finden keinen, der mehr als 4 Euro kosten würde.

Wir schwitzen, der Zug schwankt und ruckelt und zuckelt. Fast pünktlich erreichen wir den Hauptbahnhof von Dnjepropetrowsk mit seinem sehr großen, monumentalen Empfangsgebäude. Aus den Lautsprechern, die überall am Bahnsteig hängen, spielt Marschmusik als Empfang für den Zug - das gefällt uns. Es ist brutal heiß.

Das Zentrum erstreckt sich längs des Karl-Marx-Prospekts, einer ziemlich langen, sehr breiten Magistrale, auf der die Straßenbahn, mehrere Fahrbahnen, breite Fußgängerwege und fünf Reihen Bäume Platz finden. Andere Kommunisten, Karl Liebknecht und Clara Zetkin, kreuzen den Boulevard, der auch an einer Lenin-Statue vorbei führt. Viele der Kanaldeckel tragen den Schriftzug CCCP, das Kürzel für die "Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken". Das wirkt alles sehr ostalgisch. Die Stadt ist eine Ansammlung vieler verschiedener Baustile: Gründerzeit, Klassizismus, Jugendstil, sozialistische Moderne und moderne Bauten prägen bunt zusammengewürfelt das Stadtbild. Überall wird gebaut. Manche alten Gebäude stehen in Ruinen, manche sind spektakulär in Neubauten integriert, wie es der Denkmalschutz bei uns wohl nicht erlauben würde. Mehr als eine Million Menschen leben hier, aber wo wir unterwegs sind, ist es fast immer grün, ruhig und beschaulich. Als wir in einem Geschäft nach dem Weg fragen, ruft ein Mann seine Frau an und drückt uns das Handy in die Hand. Sie ist Englisch-Dolmetscherin, fragt gleich, wie sie helfen kann und erklärt unser Anliegen ihrem Mann, der uns an die gewünschte Ecke bringt.

Lenin am Leninplatz blickt auf das Kaufhaus CUM, einen riesigen Geschäftstempel der alten Sorte, die früher für den Osten typisch waren und heute am Verschwinden sind. Das Kaufhaus hat schon reichlich Patina angesetzt. Die Rolltreppen sind holzverkleidet, die Treppen der Rolltreppen aus Holz, man fährt geräuschvoll aufwärts. In den 1960ern muß das sehr stilvoll gewesen sein. Die Stufen im Stiegenhaus sind abgewetzt, an den Wänden hängen Glasverzierungen im Stil der 1960er, die zeigen, was man hier alles kaufen kann oder konnte. Zu den Shops im Shop gibt es keine Türen oder andere bauliche Abtrennungen, die altmodischen Verkaufsbudeln sind wohl auch Teil der Originaleinrichtung. In den Straßen rundherum bieten Straßenverkäufer Ware feil. Oft sind das alte Frauen in bunten Schürzen mit einem sehr bescheidenen Angebot an Früchten oder Gemüse. Ein Anachronismus - nur einen Steinwurf entfernt befindet sich ein hypermodernes Einkaufszentrum.  

 

Sightseeing-Highlights: Die 1852 erbaute, nicht besonders große Synagoge "Goldene Rose", um die herum das monumentale, siebentürmige, weltgrößte jüdische Gemeinde/Kulturzentrum errichtet wird. Die ebenfalls nicht besonders große und etwas großspurig als Christi-Verklärungs-Kathedrale bezeichnete Kirche, die nicht als Bauwerk beeindruckt, sondern aufgrund ihrer Historie: Ursprünglich hätte der Bau größer als der Petersdom in Rom werden sollen, ab 1930 machten die Kommunisten ein antireligiöses Museum daraus, später diente er als ein Standort des nahegelegenen Historischen Museums, heute ist die Kirche wieder eine richtige Kirche. Im Historischen Museum kann man viel über die Region und ihre Geschichte erfahren - wenn man Ukrainisch versteht. Einzig das Dokument der Deutschen Wehrmacht aus dem Zweiten Weltkrieg, Partisanen nicht zu unterstützen, und den Tagesbefehl eines sowjetischen Generals an die Bevölkerung Brandenburgs können wir lesen. Freakig ist ein riesiges Diorama, das die Rote Armee beim Übersetzen des Flusses Dnepr und bei einem Angriff auf die deutsche Wehrmacht zeigt. Vor unseren Füßen liegt das wohl 1:1 nachgebildete Ufer des Dnepr, an dem steil zum imaginären Fluß hin abfallenden Ufer liegen Waffen, Stahlhelme und anderes militärisches Gerät. Im Hintergrund erstreckt sich ein 14 Meter hohes und 60 Meter breites halbrundes Gemälde mit Schlachtszenen. Aus Lautsprechern erklingen Schlachtenlärm, Marschmusik und eine pathetische Ansprache.

Am Ufer des echten Dnepr ist ein künstlicher Sandstrand aufgeschüttet, wir sehen auch Menschen, die da schwimmen - aber das Wasser ist dreckig, Schmutz-Schaumkronen tanzen oben auf. Bis zu den Knöcheln gehe ich rein, um sagen zu können, ich war auch drin, weiter nicht. Ekelhaft.

 

Fortsetzung folgt ...

Kolumnen_ Unerwünschte Nebenwirkungen

$
0
0

Weltordner


Dr. Trash empfiehlt: Lesen Sie nach, wie die 68er-Generation entstand, groß wurde, die Macht ergriff und die Welt bis heute gnadenlos zum Schlechteren verändert. Der Geschichtskurs erfolgt übrigens in Comic-Form; mehr haben diese pensionsreifen Kreaturen ohnehin nicht verdient. Und die echten Profis unter ihnen sind leider schon längst weg ...

Feiertage, das kann Ihr guter Doc auch jetzt wieder einmal korrekt diagnostizieren, sind die Hölle.

Sicher, wenn Sie diese Zeilen lesen, sind Weihnachten und Silvester fast wieder Ihrem Gedächtnis entschwunden, aber dann herrscht halt wieder dieser Drecksfasching - und alles, was mit Zwangsfröhlichkeit, Einkaufswahn, Lärmentwicklung und verblödeten Jungfamilien zu tun hat, ist laut ärztlicher Anordnung - VON MIR! - strikt abzulehnen.

Das weiß man nicht erst seit gestern. Und genau aus diesem Grund hat sich der alte Trash zum Christfest selbst beschenkt - mit der Gesamtausgabe aller bisher erschienenen Doonesbury-Comicstrips des großen Garry Trudeau. Kennen Sie nicht? Macht nix, dafür haben Sie ja mich ... Also: 1968, als Trudeau noch Student in Yale war, begann er erste Episoden seines Strips in der Unizeitung zu veröffentlichen; seit 1970 ist Doonesbury in mehreren eher liberalen Tageszeitungen syndikalisiert und erscheint täglich - mit kurzen Kunstpausen, in denen Trudeaus Helden zum Beispiel in Musicals auftreten durften. Mehr als vier Jahrzehnte, 365 mal im Jahr, da kommt ganz schön was zusammen ...

Als Leser erlebt man anhand der Doonesbury-Protagonisten (anfangs Studenten, Kiffer und Freaks, später auch emanzipierte Hausfrauen, wohlmeinende Abgeordnete usw.) mehr als 40 Jahre amerikanischer Geschichte, mit all dem innen- und außenpolitischen Irrsinn des Weltherrschers, korrupten und kriegstreiberischen Präsidenten, geldgeilen Erdölbossen und Börsengangstern, dem dämonischen Neue-Weltordnungs-Berater Henry Kissinger - und zwar nicht so, wie man es aus den faden Zeitungen kennt, sondern satirisch gefärbt und damit sehr entlarvend. Noch interessanter ist jedoch die Geschichte der 68er-Generation, die die Welt seit den Anfangszeiten des Strips zunehmend mit ihrem politisch korrekten Schwachsinn unterjocht und zu dem Misthaufen gemacht hat, der sie jetzt ist (und die sich naturgemäß als neue Elite weigert, endlich in Pension zu gehen).

Bevor man sich darüber allzusehr ärgert, sollte man sich lieber der wichtigsten Doonesbury-Figur zuwenden: Uncle Duke, inspiriert von Hunter S. Thompson, dem Erfinder des Gonzo-Journalismus und großen Vorbild des Doktors. Duke hat sämtliche Drogen ausprobiert, die es je auf diesem Planeten gegeben hat - und das in großen Mengen und jeder nur denkbaren Kombination. Bei Trudeau durfte er unter anderem Botschafter in China, Leiter eines Football-Teams, Lobbyist für die NRA, Sträfling, Schmuggler und Leibwächter von Oliver North sein, ohne sich je mit moralischen Bedenken herumzuplagen. He just wants to get loaded ... und das kann der Doc durchaus nachvollziehen. Vor allem an Feiertagen.

 

 

Dr. Trash empfiehlt


(Illustration © Jörg Vogeltanz)

erscheint in gedruckter Form in der höchst empfehlenswerten österreichischen Literaturzeitschrift "Buchkultur" - für Menschen, die beim Lesen noch nicht die Lippen bewegen müssen - und wird zeitversetzt Web-exklusiv im EVOLVER veröffentlicht.

Kolumnen_ Miststück der Woche III/96 - Leserwunsch #6

$
0
0

Tonio K.: "The Funky Western Civilization"


Just another Leserwunsch: Dieses Mal kommt Manfred Prescher ein wenig in die Bredouille, denn so sehr er auch im Hirnkastl herumwühlt - allzuviel weiß er über den Interpreten nicht. Und auch das Internetz gibt nicht extra viel her. Er versucht aber trotzdem, sich dem Song zu nähern.

Während er das tut, könnt ihr derweil nach eigenen Wünschen schauen und ihm diese dann ins Gesichtsbuch oder hier drunter posten.

 

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

 

"Der Mensch ist gut, nur die Leute sind schlecht" - das Urheberrecht auf diesen Satz oder auf eine inhaltlich sehr ähnliche Formulierung teile ich mir mit Georg Christoph Lichtenberg, Dorothy Parker, Helmut Qualtinger, Gerhard Polt und Nick Cave.

Er stimmt natürlich, egal, aus wessen Hirnschwurbel er tatsächlich stammt. Man braucht sich ja nur oberflächlich umzusehen und noch nicht mal systemtheoretische Bücher zu wälzen. Die Welt ist ein Ort, an dem sehr viel schlimme Dinge passieren. In unserer westlichen Zivilisation wird versucht, diese unter einen schönglitzernden Teppich zu kehren. Während man sich wieder dem neuesten iPhone oder der nächsten Nobelabsteige zuwendet bzw. meinetwegen auch dem nächsten Trend hinterherrennt und ihn doch nicht erreicht, hofft man, all der Müll würde unbemerkt verrotten. Was aber nicht klappt, weil die Medien allgegenwärtig sind - und es wirkt, als sei alles noch schlimmer, als es ohnehin schon war. Ich aber sage euch: Der Mensch in unserem abendländisch sozialisierten Dunstkreis war schon zu den Zeiten von Lichtenberg oder Parker genauso heftig drauf, wie er es heute ist. Nur konnte er damals nicht überall, pausenlos und sofort seinen an sich unmaßgeblichen Senf dazugeben und ihn allein durch die schiere Masse maßgeblich machen.

Das war schon immer so, auch in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Damals leuchteten die Farben weniger als heute, der Grauschleier hing noch über den Städten, und die jüngste Vergangenheit war leider noch nicht so vergangen, daß Klementine sie nachträglich reinwaschen konnte. Passend dazu fällt mir ein, was mir die beste Liebespartnerin von allen gestern erzählt hat, als ich ihr von diesem "Miststück" berichtete.  Sie wußte von einem Interview, in dem man angeblich Mahatma Gandhi mit der folgenden Frage konfrontierte: "What do you think of Western civilization?" Seine Antwort fiel so knapp wie auch aus heutiger Sicht richtig aus: "I think it would be a good idea."

 

1978 war die westliche Zivilisation immer noch nicht mehr als eine Schimäre, und die Punks glaubten nicht nur nicht an irgendeine Zukunft, sondern die Bewegung war bereits endgültig im Mainstream von H&M und Co. angekommen. Das ist, um es mit Foucault zu sagen, zum einen logisch, weil aus Defätismus per se gar keine verändernde Entwicklung hervorgehen kann, zum anderen aber auch der typische Mechanismus unserer Pseudo-Zivilisation: Alles, was mehr als eine Handvoll Menschen zusammenbringt, wird auf dem Markt der unbegrenzten Möglichkeiten so ausgeschlachtet, daß der Geldfluß über die Ufer treten kann.

Musikalisch kam auf Punk die sogenannte Neue Welle - oder auf neu-steirisch "New Wave". Man tanzte den Mussolini, den Rocksteady-Beat oder auch den Veitstanz um den goldenen Jumbojet ("Ca Plane Pour Moi"). Der Amerikaner Steven "Tonio K." Krikorian wiederum versuchte unsere Zivilisation in Bewegungsenergie umzuwandeln, die das Taumeln am Rand des Vulkans möglich macht. Textlich war und ist sein Song "The Funky Western Civilization" nicht so weit weg von Gandhis ebenso einfacher wie genialer Replik, da er beispielsweise beschreibt, daß jede Minute ein "Baby ohne Chance" geboren wird, daß es "Feuer auf der Straße" gibt und daß man "Hitler auf den Fahrersitz" gehoben hat. Damit skizziert Tonio K. eine Gesellschaft, die eben nicht zivilisiert, sondern unmenschlich ist.

Ob Gandhi den flotten Post-Punk-Beat auch gemoch und den Text inhaltlich unterschrieben hätte? Wahrscheinlich nicht. Weil Tonio K. natürlich keine Gesellschaftskritik betreibt und auch keine Zustände offenlegt, um auf eine Verbesserung zu hoffen - das wäre auch ein bisserl viel verlangt für einen Popsong. Es ist nur eine zynische Attitüde, die sich durch das komplette dazugehörige Album "Life In The Foodchain" zieht: Da wird das russische Maschinengewehr AK-47 als Rhythmusinstrument eingesetzt oder von einer hoffnungslosen Liebe zu einer Vampirin berichtet. Witzig, ironisch bzw. ziemlich böse sind die Texte - und damit ähnlich zeitlos komisch wie die Songs von Monty Python, nur halt eben energiegeladener.

In den sechziger Jahren tanzte man den Hund, das "funky chicken" oder auch zermanschte Kartoffeln, in den Siebzigern und frühen Achtzigern bewegte man sich dann zum möglichen Weltuntergang, zur sukzessiven Übernahme des Planeten durch Computer, zur Neutronenbombe oder zum "Personal Jesus". Tonio K., der meines Wissens nach unter anderem Songs für so unterschiedliche Künstler wie Steve "Sex Pistols" Jones, Al Green, Chicago oder Burt Bacharach schrieb, hat mit "The Funky Western Civilization" einfach nur den Zeitgeist aufgesogen und daraus ein doch zeitloses Popstück gemacht. Blöde ist nur, daß es keiner mehr kennt ... das neue iPhone ist einem halt näher als der Sound von anno dazumal.

 

 

 

Nächste Woche bleiben wir in der Epoche von Tonio K.s Song - der Leserwunsch, den ich erfüllen werde, hat etwas sehr Kindliches und ist das liedgewordene "Mork vom Ork trifft den Kindergarten von Dingenskirchen". Wie naiv man damals war und warum man "Fred vom Jupiter" heute nicht mehr so aufnehmen könnte, beantworte ich im nächsten "Miststück". Bis dahin macht es gut und schaut, daß ihr euch etwas zivilisierter benehmt als der Rest, dann klappt´s vielleicht auch mit der westlichen Gesellschaft. Wie sagte schon Gandhi? "Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt."

Na eben.

 

Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Tonio K.: "The Funky Western Civilization"

Enthalten auf der CD "Life in the Foodchain" (Gadfly)

Stories_ Die Ukraine - Unterwegs im Osten Europas/Teil 2

$
0
0

"No negative effect on your body"

Historisch betrachtet ist die Geschichte der Krim etwas unübersichtlich:
Aktuell und umstritten ist sie Teil Rußlands, vorher war sie Teil der Ukraine, davor der Sowjetunion, zwischenzeitlich deutsch besetzt, früher unter osmanischer Herrschaft und so weiter. Landschaftlich betrachtet ist die Krim traumhaft. Der Reise zweiter Teil.

Martin Zellhofer war 2011 unterwegs in Odessa, Dnjepropetrowsk, Jalta und Sewastopol: Nichts, aber auch gar nichts, ließ eine Ahnung zu, was dort 2014 passieren sollte. Lesen Sie hier des Reiseberichts ersten Teil: "We wish you a pleasant stay and good luck".

 

 

Der Nachtzug bringt uns von Dnjepropetrowsk auf die Krim. Bei der Abfahrt tönt aus den Lautsprechern am Bahnhof der Radetzkymarsch. Rund 7 Euro kostet die Fahrt nach Simferopol pro Person. In unserem Wagen bilden je sechs Betten ein "Abteil", aber es gibt keine Türen zum Gang hin, stattdessen jenseits des Mittelganges Betten in Längsrichtung. Von meinem Längsbett aus kann ich so dutzende Menschen in ihren Betten beobachten. Erstaunlicherweise herrscht große Disziplin, und die Nacht verläuft relativ ruhig. Das Klo wird nur jede Stunde einmal für ein paar Minuten geöffnet.     

Im Halbstundentakt kommen voll besetzte Urlauberzüge mit bis zu 15 Waggons aus allen Teilen Rußlands und der Ukraine in Simferopol an. Hier ist das Eisenbahnwesen noch in Ordnung! So einen Massenauflauf per Bahn gibt es in Westeuropa nirgends mehr. Mit der längsten O-Bus-Linie der Welt fahren wir weiter nach Jalta. Ein O-Bus hat wie eine Straßenbahn einen Stromabnehmer und fährt unter einer Oberleitung. Zweieinhalb Stunden soll die Fahrt dauern, ein wenig länger braucht sie dann. Der Bus ist bummvoll, Menschen drängen sich im Gang, es ist heiß, wir schwitzen. Anfangs ist die Landschaft öde, dann wird es romantisch. Im Krimgebirge erreicht der Bus am Anharskyj-Paß 752 Meter Seehöhe, wir durchqueren Wälder, passieren schroffe Felswände und fahren schließlich die Küste entlang, mit Blick aufs Meer.

Am Busbahnhof in Jalta lassen wir uns ein Appartement vermitteln. Ich bin schon weit gereist, aber so grindig und schäbig habe ich noch nie gewohnt. In dieser Erdgeschoßwohnung ist es finster, stickig, heiß, eng, muffig, dreckig. Die Betten hängen durch, das Bettgestell drückt ins Kreuz, die Tapeten sind vom Schmutz braun gefleckt, unter den Betten stapelt sich der Müll. Direkt vor meinem Zimmerfenster ist das Klo des Nachbarn, den wir scheißen, pinkeln und Schleim husten hören. Direkt neben unserem Klo ist dafür des anderen Nachbarn winziger Innenhof. Selbst am Klo sitzend, beobachtet einer aus unserer Gruppe, wie eine Hand durch unser offenes Klofenster greift, um es von außen zu schließen. Die Nachbarn essen gerade im Hof ... Dafür ist die Bude mitten im Zentrum und einen Steinwurf vom Strand entfernt sehr, sehr billig.

 

Jalta hat rund 80.000 Einwohner, scheint aber überzuquellen. Durch die Stadt schieben sich Massen, auf der Küstenstraße herrscht dichter Verkehr. Ab acht Uhr morgens ziehen die Menschen an den Strand, je später der Vormittag, desto dichter der Strom der Badewilligen. Am überfüllten Strand ist es schwer, überhaupt ein Handtuch aufzurollen. Während in Odessa Alkohol auf der Straße verboten ist, gehört das öffentliche Saufen hier wohl zum guten Ton. Am Strand wird in der prallen Sonne Bier getrunken wie sonst Wasser, überall sitzen Menschen mit Dosen- und Flaschenbieren herum, morgens beobachten wir Menschen in der Fußgängerzone beim Bierfrühstück.

An der Promenade plärrt alle paar Meter Musik aus den Boxen, hunderte Essens-, Ramsch- und Vergnügungsstände reihen sich aneinander, alles ist bunt, grell, laut und eng - wie in einem riesigen Vergnügungspark. Für musikalische Unterhaltung ist gesorgt, vom Solomusiker bis zur Band ist jede Darbietungsvariante vorhanden. Am besten sind die Alten, die russische oder ukrainische Lieder singen. Das klingt pathetisch und schön. Sie singen von der Liebe und der Revolution, sagen wir. Aber in Wirklichkeit wissen wir es natürlich nicht. Gegen Entgelt kann man sich mit diversen Tieren photographieren lassen, an Riechgefäßen schnuppern, durch Teleskope die Sterne ansehen. In den schickeren Etablissements sind die Preise "westeuropäisch". Westeuropäer sehen wir aber keine. Der Reiseführer weist drauf hin, daß Russen oder Ukrainer mitunter monate- bis jahrelang auf einen Urlaub in Jalta sparen müssen.

Blendet man den Trubel aus, erkennt man schnell den Reiz der Gegend. Der Küstenstreifen, an dem die Stadt liegt, ist nicht besonders breit. Das Gebirge erhebt sich fast unmittelbar hinter der Küste, die Wohnbauten ziehen sich daher die Ausläufer der Berge hinauf. Schroffe Felsen und Berge bilden einen spannenden Kontrast zum Meer. Es ist grün, Palmen und bunte Blumenbeete säumen die Promenade. In der Altstadt läßt sich noch ein wenig Belle Époque erkennen, und die sozialistische Moderne und Platte finde ich sowieso spannend. 

 

Mit dem Schiff besuchen wir das Wahrzeichen der Krim, das "Schwalbennest". Das ist ein 1912 von einem deutschen Unternehmer für seine Geliebte errichtetes Schlößchen, das malerisch auf einem Felsvorsprung am Meer thront. Urlaubende schießen nicht nur hier tausende Photos: alle Familienmitglieder gemeinsam oder einzeln vor dem Schlößchen, alle Familienmitglieder auf dem Schiff, alle Familienmitglieder im Hafen, vor der Imbißbude und vor Denkmälern, die blankgegriffen sind, weil fürs Foto immer irgendwer seine Hand auf einen Teil der Statue legt, und vor denen die Menschen Schlange stehen, um ein Bild mit wem oder was auch immer zu machen. Schreckliche Urlaubsbilder. Wer will das sehen? 

Nach ein paar Tagen fahren wir mit dem Bus ins nicht weit entfernte Sewastopol. Die Küstenstraße windet sich, hinter vielen Kurven lauert der Abgrund. Die Ausblicke sind super: links das tiefblaue Meer, rechts ziehen sich steile, schroffe Felsen hinauf in die Berge. Nach der Quartiers-Schlappe in Jalta wohnen wir jetzt Upper-Class. Als wir das feudale Hotel betreten, öffnet ein Page die Tür und begrüßt mich mit einem "Welcome, Sir!" Ich sehe nicht aus wie ein Sir und bin nicht gekleidet wie ein Sir - das hat Stil.

Die Stadt wurde nach ihrer fast völligen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg im sogenannten Zuckerbäckerstil wieder errichtet. Der Zuckerbäckerstil wird auch als Sozialistischer Klassizismus oder Stalin-Gotik bezeichnet. Er imitiert regionsbezogen mitunter ältere, früher gebräuchliche Stile, die eine Stadt - oft vor der Zerstörung im Krieg - geprägt haben. Das ungeübte Auge glaubt aber auf den ersten Blick, etwas tatsächlich Altes vor sich zu haben. Die vielen strahlend weißen Gebäude, die ich für klassizistische Bauten aus der Zeit um 1800 halte, sind tatsächlich nicht einmal 70 Jahre alt. Die Moderne fehlt im Zentrum fast vollständig, dadurch wirkt Sewastopol gar nicht "östlich".

Sewastopol ist eine von 12 "Heldenstädten", eine Ehrenbezeichnung, die die Sowjetunion für den Kampf gegen die deutsche Wehrmacht verliehen hat. Ein monumentales Denkmal, bewacht von sehr jungen Menschen in Uniformen, hält das Gedenken aufrecht. Sewastopol ist auch Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte. Bei einer Hafenrundfahrt in einer Nußschale verspricht man uns, diese zu zeigen - allein, wir glauben nicht, daß die paar Kriegsschiffe tatsächlich die russische Schwarzmeerflotte darstellen. 

Alles hier ist sauber und gepflegt, friedlich und beschaulich. Nachmittags baden wir direkt im Hafengebiet am Stadtstrand. Häfen sind normalerweise nicht meine bevorzugten Badeplätze, aber das Wasser ist blau und klar - und alle tun es. Nur das Sonnen auf dem harten Asphalt der Promenade ist unbequem.

 Am 24. August 2011 erleben wir den Unabhängigkeitstag. Sewastopol galt schon vor der Okkupation 2014 als "russische" Stadt, was vielleicht erklärt, warum bei den Feierlichkeiten kein großer Andrang herrscht. Aber alle Programmpunkte verlaufen friedlich, es gibt keine Polizei in den Straßen, keine Stänkerer, keine Gegendemo. Für uns Touristen deutet nichts, gar nichts darauf hin, daß es hier drei Jahre später zu Spannungen kommen wird beziehungsweise jetzt schon gestichelt wird.

Rund alle 30 Minuten verlassen enorm lange Nachtzüge den Bahnhof von Simferopol, den wichtigsten auf der Krim. Sie bringen die Urlauber zurück nach Kiew, Odessa, Moskau, Minsk, Donezk oder Lemberg. Rekordhalter ist das fast 2700 Kilometer Luftlinie entfernte Murmansk am Nördlichen Eismeer. Der Zug dorthin braucht mehr als 60 Stunden ... Im Nachtzug Richtung Flughafen Odessa reisen in unserem Abteil eine Mutter und ihre 15jährige Tochter ebenfalls nach ihrem Urlaub nach Hause. Verständigen können wir uns kaum, aber auf den Digitalkameras zeigen wir uns gegenseitig Urlaubsbilder. Wir bekommen Kekse angeboten, und als sie meine Verkühlung bemerken, bekomme ich Wodka. Damenhaft führen die beiden bloß eine kleine Flasche mit ...

Obwohl ich es mittlerweile besser wissen sollte, esse ich am Heimflug wieder dieses Ding, das "no negative effect on your body" haben soll. Noch am nächsten Tag ist mir schlecht.

Print_ Print-Tips Spezial

$
0
0

Schmauchspuren #36

Monströse Bahnbaupläne in Stuttgart und blutige Sägespäne in Texas. Alternde Profigangster und noch ältere Meisterdetektive. Der neue Steinfest, ein neuerer Parker, ein längst fälliger Lansdale und ein historischer Holmes. Peter Hiess hat für Sie gelesen.

Heinrich Steinfest - Wo die Löwen weinen


Theiss 2011

Manchmal geht es gar nicht um Mord. In Heinrich Steinfests neuem Roman Wo die Löwen weinen zum Beispiel beginnt der "Fall" mit der öffentlichen Demütigung eines pubertierenden Buben. Trotzdem soll ein Mitarbeiter der Mordkommission sich der Geschichte annehmen - weil die Spur in dessen alte Heimat Stuttgart führt. Bald geht´s naturgemäß nur noch peripher um die Affäre, ebensowenig wie um eine konventionelle Krimihandlung. Aber die ist man von Steinfest eh nicht gewöhnt.

Der in Deutschland lebende Österreicher setzt stattdessen auf bewußt "unrealistische" Polizeiarbeit, auf Figuren und Ideen, die ebensogut einer Fabel oder einer SF-Erzählung entstammen könnten, auf Witz und Wortspiel. Und auf eine sehr klare politische Aussage, die sich um "S21" - das irrwitzig teure und größenwahnsinnige Stuttgarter Bahnhofsprojekt - dreht, das gestandene Kleinbürger zu bestens informierten Revoluzzern machte, die EU-deutsche Politik von ihrer widerlichsten Seite zeigt(e) und in einer absurd-brutalen Schlacht mit der Polizei ihren bisherigen Höhepunkt fand.

Aber auch das ist noch nicht alles: Als weitere Protagonisten finden wir einen "Wutbürger" auf Rachefeldzug, einen österreichischen Archäologen ("weil es für jede Geschichte einen Österreicher braucht"), eine hinreißende Leibwächterin, cineastisch und musikalisch gebildete türkische Gangster, Maschinengötter sowie einen Hund namens Kepler, der möglicherweise die Reinkarnation eines früheren Krimihundes ist. Aber das alles sollten Sie lieber selbst lesen.

Richard Stark - Keiner rennt für immer


dtv 2011

Ersparen dürfen Sie sich andererseits die Lektüre von Keiner rennt für immer, eines Thrillers aus der neuen Parker-Reihe, die der mittlerweile verstorbene Amerikaner Donald E. Westlake unter seinem Pseudonym Richard Stark ab Ende der 90er Jahre schrieb. Fans des Berufsverbrechers ohne Vornamen sehen sich hier zwar mit einem Plot konfrontiert, der auch aus der "klassischen" Parker-Ära - den frühen Sixties - stammen könnte (ein geplanter Geldtransport-Raub rund um eine Kleinstadt-Bankenfusion), aber die Luft ist heraußen. Das liegt daran, daß Stark/Westlake sich nicht mehr auf das Hardboiled-Element und die Darstellung des einsamen Gangster-Lebens verläßt, sondern psychologisiert, zu oft die Erzählperspektiven wechselt und damit seiner Story das Tempo nimmt. Andererseits findet man als Genre-Fan auch hier noch ein paar gute Sprüche, die es sich ins Stammbuch zu übernehmen lohnt, zum Beispiel: "Ich finde ja immer, es ist eine Verschwendung, eine gutaussehende Frau umzubringen. Aber wir leben in einer verschwenderischen Welt."

Joe R. Lansdale - Kahlschlag


Golkonda 2010

Ein wahres Meisterwerk hingegen ist Kahlschlag, die deutsche Fassung des Romans Sunset and Sawdust (2004) des Texaners Joe R. Lansdale - eines Autors, der bisher nur Lesenswertes geschrieben hat. Sunset heißt die Frau des Sheriffs von Camp Rapture, eines Kaffs im Texas der 30er Jahre, das von einer Sägemühle beherrscht wird. Und Sunset hat genug davon, von ihrem Mann verprügelt zu werden, also erschießt sie ihn eines Tages. Was sie damit auslöst, wird nur jene Leser überraschen, denen Lansdales Erzählfreude neu ist: Die Schwiegermutter treibt den eigenen Ehemann aus dem Haus und in den Selbstmord, Sunset wird Sheriff (nicht gerade üblich in dieser Zeit) und macht einen attraktiven jungen Landstreicher zu ihrem Hilfssheriff, Häuser werden von Stürmen weggeblasen oder abgebrannt, böse und irre Killer gehen um, Ölspekulanten wollen einen fleißigen Schwarzen um sein Grundstück betrügen.

Zu einer solchen Ereignisfülle gehört natürlich auch ein gerüttelt Maß Brutalität; der Lansdale-typische Humor und Sprachwitz (auch in der gelungenen Übersetzung) kommen jedoch ebenfalls nicht zu kurz. Und was bei vielen deutschsprachigen Autoren ein einziges peinliches Zeigefingerschreiben (Feminismus! Antirassismus! Böse Rednecks!) wäre, ist hier mit großer Liebe zu den Protagonisten/innen und ihrer Welt erzählt. Ein Mann oder eine Frau tun eben, was sie tun müssen - und was anständig ist ...

Erschienen ist Kahlschlagübrigens im umtriebigen deutschen Golkonda-Verlag, von dem man unbesehen alles kaufen kann und der auf dieser Seite garantiert noch öfter behandelt werden wird.

A. C. Doyle - The Valley Of Fear


Hard Case Crime (Dorchester Publ.) 2009

Rätselhaftes lieferte die hierorts so beliebte Reihe Verlag Hard Case Crime kurz vor dem Ende ihrer ersten Inkarnation. "Years ago, a P. I. out of Chicago brought justice to a dirty town. Now he´s going to pay" lautet der coole Spruch auf dem Backcover. Und man fragt sich, wer denn dieser A. C. Doyle ist, der The Valley of Fear verfaßt hat.

Nach ein paar Schrecksekunden ist man dann überrascht, daß es sich tatsächlich um den guten alten Arthur Conan und seinen letzten Holmes-Roman Das Tal der Angst handelt. Der ist fürs Genre zwar durchaus bedeutend, aber warum man ihn den Amis als Pulp-Thriller (noch dazu ohne jedes Zusatzmaterial) andrehen muß, bleibt etwas rätselhaft. Nur für Komplettisten.

"Schmauchspuren"

... erscheint in gedruckter Form seit 2005 in der höchst empfehlenswerten österreichischen Literaturzeitschrift "Buchkultur" - für Menschen, die beim Lesen noch nicht die Lippen bewegen müssen - und wird zeitversetzt Web-exklusiv im EVOLVER veröffentlicht.

Kino_ Film-Tips Oktober 2014

$
0
0

Unter die Haut

Ein Alien-Vamp auf mörderischer Reise durch England, der klassische Vampir als besorgter Familienvater, ein Ehepaar im Land der Psychotrips - und der König aller Western-Regisseure: Der Blockbuster-Sommer ist endlich vorbei.

Dracula Untold

Filmstart: 2. Oktober

 

Man sollte ja nicht glauben, daß es noch irgendeine Geschichte über den König der Vampire gibt, die bisher - in unzähligen Filmen, Büchern, Comics, Hörspielen, Fernsehserien - nicht erzählt wurde. Aber wenn Universal seine Monsters auferstehen lassen will, lohnt es sich trotzdem, der origin story des blutdürstigen Grafen ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken (und die vertrottelten Vampirromanzen der letzten paar Jahre einfach zu vergessen). Kurz und gut: Es geht um Vlad Tepes, einen freundlichen Herrscher aus dem 14. Jahrhundert, der wegen seiner liebsten Hinrichtungsmethode den Spitznamen "der Pfähler" erhielt und in der Walachei wirkte - im Film ist es Transsilvanien, aber historische Korrektheit braucht man sich hier sowieso nicht zu erwarten. "Dracula Untold" zeigt ja auch einen etwas zu hübschen Hübschling, der nur seine Heimat und seine Familie verteidigen will; als dann ein übler Sultan kommt, der dem Woiwoden ganz in biblischer Manier seinen Erstgeborenen als Tribut abverlangt, kann der junge Vlad einfach nicht anders, als im Tausch für Stärke und Unverwundbarkeit seine Seele zu verkaufen. Und fortan ist er halt der erste Vampir, der nicht sterben kann und dem stets der Sinn nach Menschenblut steht. Da haben wir´s: Der alte Dracula ist nur ein Opfer der Umstände ... Doch das darf man alles nicht zu ernst nehmen, sondern sollte lieber die pseudohistorischen Kostüme, die SFX und die Stunts genießen. Mehr ist da nicht dran - just another franchise. (ph)

Under the Skin

Filmstart: 3. Oktober 2014

 

Weil er angeblich in kein vermarktbares Schema passe, bringt die deutsche Senator Film "Under the Skin" gleich gar nicht ins Kino. Allein über diese Begründung - die Bände spricht über die momentane Verleihlandschaft zwischen anonymen Blockbustern und kaum weniger öden "Feel-Good-Movies" für die Golden Agers - müßte man eigentlich ganze Abhandlungen schreiben, so schmerzhaft geht einem da das Geimpfte auf. Erfreulicherweise hievt das Wiener Gartenbaukino diesen in der Tat einzigartigen Science-Fiction-Horror knapp vor dem DVD-Start wenigstens eine Woche lang auf die große Leinwand. Und dort gehört sie auch hin, die Studie über eine von Scarlett Johansson stoisch gespielte mysteriöse Außerirdische, die sich junge Engländer serienweise auf eine Art einverleibt, die man im Kino noch nie gesehen hat. Zugegeben, manches (etwa die abstrakte Pre-Title-Sequenz) wirkt ein wenig prätentiös, doch in Summe gelang dem englischen Regie-Exzentriker Jonathan Glazer ("Sexy Beast") hier ein experimenteller Thriller, der noch am ehesten an David Bowie als "Mann, der vom Himmel fiel" denken läßt und der - das Wortspiel liegt leider zu nahe - wirklich unter die Haut geht. Ich bringe diesen Film jedenfalls, seit ich ihn gesehen habe, nicht mehr aus dem Kopf. (HL)

Gone Girl

Filmstart: 3. Oktober 2014

 

Daß Ehen und andere Beziehungen die Hölle sein können, ist bekannt. Aber das ist es auch gar nicht, worum es in David Finchers neuem Film geht - obwohl die üblichen Halbgebildeten aus der Kritikerbranche es gern so hätten. In Wahrheit handelt die Romanverfilmung "Gone Girl" von Manipulation, ob zwischenmenschlich oder über und vor allem durch die Medien. Und davon, daß man in der heutigen Zeit am ehesten als Psycho- beziehungsweise Soziopath Erfolg hat, Karriere macht und mit jeder Schweinerei durchkommt. Der Plot beginnt täuschend einfach (Ehefrau verschwindet am fünften Hochzeitstag, alles weist auf ein Verbrechen hin, Ehemann wird wegen seines stupiden Benehmens von Medien und Nachbarn vorverurteilt), entwickelt sich dann jedoch zum Psychothriller mit jeder Menge überraschender Wendungen, von Fincher (nach seinem verzeihlichen Kinoausflug zum Internet-Deppentreff Facebook) wie üblich kühl und gekonnt inszeniert, und gipfelt in einem Unhappy-End, das man gesehen haben muß. Ben Affleck und Rosamund Pike überzeugen als Paar, das mit aufrechtzuerhaltenden Fassaden jongliert - und der Zuseher kann sich nach der Comic-/Action-/Fantasy-Überdosis des Kinojahrs endlich wieder über einen intelligenten Film freuen. (ph)

Annabelle

Filmstart: 10. Oktober 2014

 

Alles muß schneller gehen, immer schneller ... James Wans gelungener Spukhaus-Horrorfilm "The Conjuring - Die Heimsuchung" lief erst 2013 erfolgreich im Kino, da war auch schon die Fortsetzung beschlossene Sache. Und bis die auf der Leinwand zu sehen ist, schießt man halt in aller Eile noch ein Prequel/Spin-off nach: "Annabelle" erzählt die Vorgeschichte der unheimlichen Puppe, die im Gruselerfolg zu sehen war. Kurz und banal: Junges Ehepaar erwartet ein Kind, kauft bereits vor dessen Geburt heftig Spielzeug fürs Kinderzimmer, unter anderem auch das Sammlerstück Annabelle; satanistische Sekte überfällt das Haus - und (buhu!) seither ist die Puppe von einem bösen Dämon besessen. Der von John R. Leonetti (bisher durch Sequels wie "Mortal Kombat 2" und "Butterfly Effect 2" eher wenig aufgefallen) scheint den Streifen recht lustlos heruntergekurbelt zu haben, die Darsteller sind hölzerner, als es eine Puppe je sein könnte, und der Filmfreund ist mit dem guten alten "Dolls" von Stuart Gordon immer noch viel besser bedient. (ph)

Retrospektive John Ford

16. Oktober bis 30. November 2014 im Wiener Filmmuseum

 

"To me it was alway a job of work - which I enjoyed immensely - and that´s it." Er hat es nicht nur genossen, er war auch einer der Meister seines Fachs. John Ford zählt zu Recht zu den wichtigsten amerikanischen Filmemachern. Auch wenn der grumpy old man für die Autorentheorie nicht viel übrig hatte, trägt ein Großteil seiner mehr als 100 Regiearbeiten seine unverkennbare Handschrift. Das Wiener Filmmuseum widmet dem Mann, der den klassischen Western wie kein anderer prägte, den Duke zum Star machte und darüber hinaus ein äußerst ereignisreiches Leben führte (nachzulesen u. a. in Joseph McBrides "Searching for John Ford") eine umfangreiche Retrospektive. Neben "Stagecoach", "The Quiet Man" und natürlich "The Man Who Shot Liberty Valance" gibt es auch Peter Bogdanovichs "Directed by John Ford" zu sehen.

PS: Daß das Western-Genre allen Unkenrufen zum Trotz nicht totzukriegen ist, darf man derzeit übrigens in Kristian Levrings "The Salvation" und im Dezember in Tommy Lee Jones´ "The Homesman" nachprüfen.

Zwei Tage, eine Nacht


(Deux jours, une nuit )

Filmstart: 31. Oktober 2014

 

Die Handkamera klebt von der ersten Sekunde lang den Darstellern nah am Kopf, die Figuren sind bis zur kleinsten Charge so authentisch besetzt, daß man an Dokumentarisches glauben möchte, und das Thema ist von drängender sozialer Brisanz. Es ist also alles wie immer bei den belgischen Regiebrüdern Jean-Pierre und Luc Dardenne ("Rosetta", "Das Kind", "Der Junge mit dem Fahrrad") - und doch läßt dieser ihr jüngster Film seltsam kalt. Woran es liegt, ist schwer zu sagen. Vermutlich nicht an der (zu?) prominenten Hauptdarstellerin Marion Cotillard ("Der Geschmack von Rost und Knochen"), die sich hier als entlassene Arbeiterin die Seele aus dem Leib spielt. Eher schon an der dramaturgischen Grundkonstellation, die wirkt wie auf dem Reißbrett entworfen: Die Entlassene hat die titelgebende Frist, um ihre Exkollegen davon zu überzeugen, zu ihren Gunsten auf eine von der Werksleitung zugesagte Prämie zu verzichten. Das mag im "realen" Leben sogar vorkommen, als Prämisse für filmische Sozialkritik ist mir das einfach ZU aufgelegt: Neuer Egoismus gegen alte Klassensolidarität, das ginge als verfremdetes Brechtsches Lehrstück durch, nicht aber als Quasi-Alltagsstudie. Better luck next time!  (HL)


Kolumnen_ Miststück der Woche III/97 - Leserwunsch #7

$
0
0

Andreas Dorau & die Marinas: "Fred vom Jupiter"


Es gibt Lieder, die sind so unverschämt einfach und eingängig, daß sie Jahrzehnte überdauern. Ein gutes Kinderlied etwa - eines wie dieses Kleinod, das sich ein Leser für diese Kolumne wünschte.

Nun, ihr könnt euch ebenfalls Herzens- oder Sonstwas-Songs wünschen, die dürfen leicht oder schwer sein. Und das Beste: Manfred Prescher muß sie nicht mal mögen.

 

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

Wie war das noch gleich 1981? Da muß ich doch mal ein wenig in den Tiefen der Gedächtnis-Vogesen blättern ... Damals war der große Scott Bradley gerade unterwegs, um den Kosmos leerzutrinken bzw. zu retten - was ungefähr auf das gleiche herausgekommen sein dürfte. An einem denkwürdigen Abend im "Restaurant am Ende des Universums" bestellte er sich seinerzeit diverse pangalaktische Donnergurgler und überlegte, ob er auf dem Rückweg mal beim Jupiter vorbeischauen soll. Natürlich wollte er nicht den antiken Gott heimsuchen, dessen Größe war ohnehin längst durch irgendwelche monotheistischen Glaubensrichtungen weithin verblaßt. Nein, er wollte sich darüber informieren, wie der Fred da drüben auf seinem an Stürmen reichen Planeten so zurechtkam. Angeblich ging noch während des Gelages die Wolle aus, und Bradley mochte sich danach partout nicht mehr daran erinnern, daß er vorhatte, auf dem ungastlichen Himmelskörper zu landen. Beim Katerfrühstück war keine Rede davon, allerdings hatte die zwölfköpfige Katze aus der Beteigeuze sein Gedächtnis voll im Griff. Nie und nimmer hatte er so einen Plan ins Triefauge gefaßt. Wo käme er denn da hin? In des Teufels windige Tiefkühltruhe wahrscheinlich, sprich auf den Jupiter. Und Stürme mit Geschwindigkeiten von 600 km/h und mehr - das hält die massivste Landestütze nicht lang aus.

 

Abgesehen davon hielt er den Fred für ein ähnliches Weltraumkindermärchen wie Mork vom Ork, Alf oder den dreibeinigen Nashornhund von Rigel 5. Aber wie kam Scott nun wirklich auf den Fred vom Jupiter? Nicht, daß ihr denkt, er hat irgendwo von ihm gelesen oder einen interessanten Film im gefühlsechten, interkosmischen 7D-Fernsehen gesehen. Nein, es war ein kleines Lied, das ihn mit der Figur konfrontierte. Es ging ihm seinerzeit nicht aus der von der Schwerelosigkeit, der ewigen Nacht mit seinen schwarzen Gähnlöchern und den Donnergurglern gezeichneten Denkmurmel.

Bei Lichte eines sonnigen Planeten betrachtet, hätte er den Besuch auf dem bitterkalten Jupiter ohnehin ankündigen müssen. Denn der Fred war - wenn wir dem Schlager glauben dürfen - viel unterwegs. Er mußte anno 1981 zum Beispiel auf der Erde notlanden, weil ihm der Sprit ausging. Und angeblich erwies er sich hier bei uns als "Schwarm aller Frauen" und wurde dabei von so vielen Damen mitgenommen, daß die Männer ihrerseits sauer wurden. So ähnlich jedenfalls ging das Lied und geht es auch heute noch. Allerdings hört man es aktuell fast nur auf alten Mixtapes - gut, die sind fast alle alt - oder auf Neue-Deutsche-Welle-Retroverblödungs-Parties bzw. im Spaceshipcassettenrecorder von Scott Bradley, was oft auf das gleiche herauskommt. Bradley ist schließlich ein Bruder in Freds Geiste. Allerdings nur in Bezug auf die amourösen Verwicklungen.

 

Das Lied entstand übrigens während der Musikprojektwoche einer Hamburger Gesamtschule. Der Text wurde geschrieben von Natalia, Nicole und Birgit, die Musik brachte der 16jährige Andreas Dorau ein. Als die Single auf den irdischen Markt kam, hat der Schlingel allerdings glatt vergessen, die jungen Frauen als Autorinnen zu erwähnen. Schlimme Sache. Seinen speziellen Charme verdankt das Stück den Schülerinnen Claudia, Michelle, Dagmar, Isabelle und Christine, denn die begleiten die doch eher spröde Stimme Doraus. "Fred vom Jupiter" wurde ein mittelgroßer Hit und Andreas Dorau, der kurz darauf mit seinem Filmstudium begann, lieferte uns danach via Ata Tak immer wieder nette Platten. Die wurden, wie schon "Blumen und Narzissen" - das Album zur Single - kaum wahrgenommen, hatten aber was. "Demokratie" (genau: "langweilig wird die nie") oder "Ärger mit der Unsterblichkeit" sind zwei wirklich nett kurzweilige LPs, die kaum einer mehr kennt. Ach - und da ist ja auch noch die Kurzoper (!) mit dem Namen "Guten Morgen Hose". Doch, doch, es gab mal Zeiten, da hießen Platten oder Songs so.

Einen Irrtum muß ich natürlich noch aufklären, weil Scott Bradley den Jupiter damals ja nicht besuchte: Dort heißen die Typen, wie man mittlerweile herausgefunden hat, Karl-Heinz, Knut-Olaf oder Hans-Otto, aber in der Regel nicht Fred. Ihr müßt das wirklich nicht überprüfen, denn diesen Eisplaneten kann man nur ertragen, wenn man genug Donnergurgler, wenigstens aber ausreichend südusbekischen Büffelwodka intus hat, denn er ist ein garstiger Ort. Dort eine offene Kneipe zu finden, ist genauso schwierig, wie seine Notdurft im Freien zu verrichten. Das wäre mangels beheizter Rastplätze allerdings dringend nötig. Schließlich ist der Jupiter das Größte, was unser Sonnensystem zu bieten hat.

 

 

 

Nächste Woche erfülle ich einen weiteren Hörerwunsch. Es mag vielleicht nicht der größte Song im Universum sein, aber die Künstlerin hat es - nicht zuletzt wegen ihrer Jazzplatte "Mingus", bei der sie mit dem Altmeister zusammen spielte - verdient, daß sie justament hier gewürdigt wird. Unzählige sehr meisterinnenmäßige Songs wie "Both Sides Now", "Turn Me On, I´m A Radio" oder "Chalk Mark In A Rain Storm" hat sie geschrieben. Und weil das so ist, erfülle ich den Wunsch gern: Das kommende "Miststück" dreht sich um "All I Want", fürwahr auch ein schönes Lied der kanadischen Musikerin. Bis es soweit ist, macht ihr am besten einen Bogen um den Jupiter, wärmt euch bei euren Liebsten und sucht nach Songs, die ihr euch wünschen könnt. Live long and prosper!

 

Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Andreas Dorau & die Marinas: "Fred vom Jupiter"

Enthalten auf der CD "Blumen und Narzissen" (Büro B/Indigo)

 

(Foto: Sönke Held)

Stories_ Berkeley Mather - Das Gold von Malabar

$
0
0

Die großen Alten

Von den 50er Jahren bis Anfang der 80er gab es eine Reihe britischer Thriller-Autoren, die fast mit jedem Buch in den Bestsellerlisten landeten und ihre Romane wie geschnittenes Brot verkauften. Heute sind sie fast vergessen. Martin Compart erinnert sich an Berkeley Mather.

Die britischen Nervenkitzler schrieben Abenteuer-Thriller, gelegentlich auch Geheimagentenromane, und brachten dem Leser die entferntesten Schauplätze zwischen zwei Buchdeckeln ins Haus. Oft schwang noch die Wehmut über den sterbenden britischen Kolonialismus mit, aber genauso oft auch ein Hauch progressiver Erkenntnisse. Exotische Länder, fremdartige Kulturen und Naturkatastrophen waren als Hintergründe dieser Pageturner genauso wichtig wie farbige Charaktere - wobei der Protagonist, häufig auch der Ich-Erzähler, der Typ Outdoor-Brite war, der mit Hartnäckigkeit, Durchsetzungskraft und Cleverness einst das Empire errichtet hatte. Gemeint sind Autoren wie Alistair MacLean, Hammond Innes, Desmond Bagley, Alan Williams, Duncan Kyle, Gavin Lyall, Jack Higgins, Francis Clifford, Victor Canning, Geoffrey Jenkins und so weiter.

Und natürlich Berkeley Mather.

Berkeley Mather (1909-1996) war ein Pseudonym des in Australien aufgewachsenen John Evan Weston-Davies. Seine Jugend ist geheimnisumwittert, und Mather selbst sorgte durch falsche Informationen für Verwirrung. Als er 20 Jahre alt war, hatte er seinen Militärdienst in Australien absolviert und begann sich in der Welt herumzutreiben, bis er in London landete. Bereits Ende der 1930er begann er zu schreiben und verkaufte die ersten Geschichten an Londoner Zeitschriften. Er trat 1932 in die britische Armee ein, wechselte später in die indische Armee und kämpfte im 2. Weltkrieg. 1938 heiratete er Kay Jones, mit der er drei Kinder hatte; sie verstarb 1991. Nach der indischen Unabhängigkeit wechselte er zur königlichen Infanterie, wo er bis zu seinem Ruhestand 1959 diente. Da er als aktiver Soldat nicht veröffentlichen durfte, wählte er "Berkeley Mather" als Pseudonym. 1954 wurde er an MI6 ausgeliehen und ging im Auftrag des britischen Auslandsgeheimdiensts nach Kairo. Unter der Tarnung eines Teppichhändlers sollte er ein Mordattentat auf den damaligen ägyptischen Premierminister Naguib vorbereiten helfen (das Attentat fiel aus, da Naguib von Nasser unter Hausarrest gestellt wurde).

An seinem 50.Geburtstag erschien sein erster Roman, The Achilles Affair, der ein kleiner Erfolg wurde. Mit seinem nächsten Thriller, The Pass Beyond Kashmir, wurde er dann richtig erfolgreich, und sowohl Ian Fleming als auch Erle Stanley Gardner schrieben begeisterte Rezensionen. Mathers Romane standen sogar in der Bibliothek von Ernest Hemingway.

 

 

 

Neben den Hardcore-Fans dürfte sein Name auch Cineasten geläufig sein. Mather schrieb die Drehbücher zu den Filmen "Genghis Khan", "The Long Ships" und "Dr. No". Ian Fleming selbst hatte angeregt, daß Mather das Drehbuch zum ersten Bond schreiben sollte. Es existierte bereits ein Script, das er dann überarbeitete. Dummerweise lehnte er eine prozentuale Beteiligung am Film ab und entschied sich für ein buyout.

Die Bond-Produzenten Saltzman und Broccoli kauften die Rechte von "The Pass Beyond Kashmir" und planten eine Verfilmung mit Sean Connery und Honor Blackman. Bereits 1956 hatte Mather begonnen, für Fernsehserien zu schreiben; u. a. verfaßte er eine Folge für "Mit Schirm, Charme und Melone" ("The Avengers") und zwei Folgen für "Tennisschläger und Kanonen" ("I Spy"). Bereits Mitte der 1950er Jahre hatte er seine erste TV-Serie entwickelt: "Tales From Soho"; Hauptperson war Inspector Charlesworth, der zur Titelfigur einer weiteren Serie wurde. Produziert hatte "Tales From Soho" der noch unbekannte Tony Richardson. Anfang der 1960er Jahre war Mather zusammen mit Ted Willis der meistbeschäftigte TV-Autor. Er schrieb eine 30-Minuten-Folge in acht bis zwölf Stunden. Für seine Fernseharbeiten erhielt er 1962 eine Auszeichnung der Crime Writers Association.

Seine drei letzten Romane waren eine zeitgeschichtliche Familiensaga, bekannt als "Far Eastern Trilogy". Mather starb 1996, und einer seiner Söhne arbeitet derzeit an einem Buch über das "Familiengeheimnis”.

 

 

Es ist schwierig, einen einzigen Roman Mathers als seinen besten herauszugreifen. Der Mann konnte keine schlechten Bücher schreiben. Mit Sicherheit ist Das Gold von Malabar (1967) ein Meisterwerk, ein Klassiker des Asien-Thrillers, wunderbar geschrieben und heute noch genauso lesbar und fesselnd wie zum Zeitpunkt seiner Erstveröffentlichung.

Der Seemann und Herumtreiber O´Reilly erzählt darin seine Geschichte in der ersten Person. Das fängt damit an, daß er er wegen Schmuggels und Totschlags im Knast von Goa landet und ihm dort ein sterbender Weißer ein Amulett, einen Kontakt und kryptische Worte hinterläßt. O´Reilly solle fliehen, empfiehlt er ihm, und am "Tor von Indien" den Mönch Nu Pah aufsuchen. Die Flucht gelingt ihm schwer verletzt, und er gelangt auch nach Bombay und trifft Nu Pah ("Er ist kein Mönch mehr. Er kleidet sich nur so, wie die Tippbetrüger, die sich beim Rennen als Jockeys ausgeben"). Bis dorthin hat der Roman schon Tempo, aber jetzt geht eine Flucht- und Verfolgungsgeschichte los, die einen nicht mehr aus den Fängen läßt. Alle Parteien sind hinter einem holländischen Goldschatz her, den die Japaner am Ende des Zweiten Weltkriegs in Goa gebunkert haben (siehe auch "Golden Lily" in meinem Blog über das japanische Raubgold).

O´Reilly und Nu Pah gehören zu den unvergeßlichsten Antihelden des Thrillers - wie auch ihre Antipoden. Zum Beispiel der englische Colonel, den Mather eines Joseph Conrad würdig beschreibt: "Der Colonel war Treibgut, am indischen Strand zurückgeblieben, als die britische Flut abebbte."

Mather schreibt manchmal wie Somerset Maugham auf Speed. Ohne das Tempo herauszunehmen, gelingen ihm immer wieder wunderbare Bilder und Beschreibungen des Subkontinents. Man spürt die tiefe Kenntnis des Landes. Wer das Buch anfängt, wird es auf einen Sitz durchlesen. Thriller von dieser Qualität sind selten geworden. Sie bezeugen das ganze Elend der aktuellen Spannungsliteratur. Da kommt kaum ein Roman unter 500 Seiten daher, ist noch dazu schlecht geschrieben, voller retardierend-breitgetretenem Quark und so aufregend wie Markus Lanz beim Kärtchenablesen. Mather muß nicht lange und quälend die Psychologie und Vorgeschichte seiner Personen beschreiben, sondern verdeutlicht die Charaktere in ihren Handlungen. Vielleicht ist auch das ein Grund, weshalb Hemingway zu seinen Lesern gehörte.

 

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich "Das Gold von Malabar" in der Ullstein-Abenteuer-Reihe neu herausbrachte. Jörg Fauser suchte sich in meinem Büro seine Urlaubslektüre für einen Zypern-Trip zusammen und griff sich auch dieses Buch - aber eher skeptisch. Als er zurückkam, war er von der Lektüre immer noch hingerissen und schwärmte davon, was der Roman für eine tolle Filmvorlage wäre, für einen Abenteuerfilm mit Sean Connery oder Michael Caine, mit John Huston als Regisseur; ein würdiger Nachfolger der Kipling-Verfilmung "The Man Who Would Be King".

Mather schrieb auch Geheimagenten-Thriller. Drei Romane um Idwal Rees und seinen Helfer, den blutrünstigen Paschtunen Samaraz, drei Romane um John Wainwright und zwei über Peter Feldham. Wobei The Terminators Rees und Wainwright zusammenbringt, um für den britischen Geheimdienst - bei Mather "The Firm" genannt - den Dreck zu schaufeln. Schauplätze sind zumeist Nordindien (Kaschmir), Afghanistan, Tibet und der Himalaya. Bestechend ist immer wieder Mathers Verständnis für Land und Leute. Es sind Great-Game-Thriller, die bestens die Konfliktherde ihrer Zeit zwischen der Sowjetunion, der Volksrepublik China und dem Westen beleuchten.

Man hätte diese Bücher den verblödeten NATO-Militärs als Pflichtlektüre (zusammen mit "Flashman in Afghanistan") in die Hand drücken sollen, bevor sie ihre wenig erfolgreichen, aber dafür teuer gescheiterten Afghanistan-Feldzüge verbrachen. Liest man diese alten Romane, wird einem deutlich, mit welcher stupiden Arroganz westliche Militärbonzen vorgegangen und gescheitert sind - mit ähnlicher Dummheit wie schon zuvor die Briten im 19. Jahrhundert und die Russen in den 1980ern. All dies verdeutlicht einem der alte Berufssoldat Weston-Davis vortrefflich.

 

Kolumnen_ Schein-Angriff #4

$
0
0

Die letzten Straßen-Mohikaner


Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einer Party - und die ist fad. Kann passieren. Ich weiß, wie man die Feier rettet: Erzählen Sie davon, wie Sie gerade den Führerschein machen. Schon bekommen alle feuchte Augen.

Selbst der eingefleischteste Grünwähler kommt irgendwann auf den Punkt. Mein Punkt tauchte vor einem Jahr auf, als der Schwedenofen beim besten Willen nicht auf den Gepäckträger gepaßt hat. Also mach´ ich ihn jetzt. Das große Abenteuer. Die große Freiheit. Mobilität per Gaspedal - den Führerschein. Und das in meinem Alter!

 

"Und was tust du gerade so?"

"Ich mach´ den Führerschein."

Diese Eröffnung hat sich mittlerweile zum echten Partyhit entwickelt. Kennen Sie das? Ein Essen bei Freunden, die ewig gleichen Geschichten aus der Schulzeit. Tip: Streuen Sie ein, daß Sie Fahrstunden nehmen. Auch wenn es nicht wahr ist - ich garantiere Ihnen, Sie kommen sowieso nicht in die Verlegenheit, Genaueres erzählen zu müssen.

Denn schon geht es los: "Als ich damals ..." "Ich kann mich noch genau erinnern ..." Oder die schlimmste aller Antworten: "Ich hab´ heute noch Alpträume von der Prüfung." Wenn Sie tatsächlich gerade den Führerschein machen, dann klappen Sie jetzt die Ohren zu. Bitte. Dringend. Es kommt sicher irgendeine Horrorgeschichte ans Licht, die Sie niemals erfahren wollten. Meistens taucht eine Nahtoderfahrung darin auf. Oder abgrundtief böse, diabolische Prüfer, die den Sinn in ihrem Leben nur darin sehen, genau Sie durchfallen zu lassen. Hat denn niemand mehr etwas Nettes über seine ersten Fahrversuche zu berichten?

Ich warte immer noch auf eine Geschichte, die mit "Als ich damals ..." beginnt und mit "... war alles ganz easy und ist es heute noch" endet. Nein. Ein Unfall ist sicher irgendwo dabei. Assoziationen sind schon etwas Seltsames. Da möchte man berichten, daß der Druckpunkt von Gas und Kupplung immer noch schwer auffindbar ist, und es endet damit, daß jemand erzählt, wie einem Motorradfahrer die Gliedmaßen abgerissen wurden. In der Presse und im Freundeskreis gilt dieselbe Maxime: Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten.

Bis ins letzte, morbide Detail habe ich mir angehört, wie sich Autos aufs Dach gelegt haben, wie LKWs über die Leitschiene in den Abgrund gestürzt sind, wie Fußgänger hinter geparkten Autos lauern, um dann im richtigen Moment auf die Straße zu springen, wahrscheinlich mit einem lauten "HA!" Und natürlich jede Menge Geschichten über Radfahrer, die auch nur eines wollen: sich selbst umbringen und so viele Menschen wie möglich mit in den Tod oder in die ewige Gewissens-Verdammnis reißen. Straßenterror, Staus, ständige Angst - der Überlebenskampf im Stadtgebiet ist unerbittlich, und Autofahrer sind die letzten Mohikaner. Und immer, wenn du gar nicht damit rechnest, schneidet dich irgendein Vollidiot.

Wenn die letzte Kriegsgeschichte erzählt und die Narben ausreichend zur Schau gestellt wurden, bleibt immer noch das Parkpickerl. Und Radwege, die im Nichts enden. Und Touristen. An dieser Stelle kann man getrost auf Durchzug schalten, weil jetzt geht es tatsächlich nicht mehr um den Führerschein. Aber die fade Party hat plötzlich Schwung aufgenommen, und auf einmal wird allerorts über den Verkehrminister schwadroniert, was unweigerlich zur Lohnsteuer führt, was unweigerlich zum Wodka führt.

Wenn der gekippt ist, entsinnt sich irgendeiner spontan wieder: "Um das Thema abzuschließen: Du machst das schon. Der Führerschein ist ja a ka Atomwissenschaft." Ein kurzes Händetätscheln. Ein verklärter Blick in die Vergangenheit. Willkommen im Kreis der Straßenkrieger, Tochter. Dein Name lautet ab sofort: "Die-keine-Geschichten-mehr-hören-mag".

Termine_ Gesponsertes Video: "18 Gipfel, 1 Liebe, 1 Leben"

$
0
0

Schnittenstürmer

Heiratsantrag am Gipfelkreuz: Nach 18 gemeinsamen Bergbesteigungen ließ sich ein Pärchen - von Manner gesponsert - dazu hinreißen, gemeinsam den Ehehimmel zu erstürmen. Natürlich mit den berühmten Neapolitaner-Schnitten im Gepäck ...

Manner mag man eben. Dieser Werbespruch ist nicht nur dem Süßigkeitenfreund unauslöschlich im Gedächtnis haften geblieben - er bewahrheitet sich auch bei Auslandsbesuchen immer wieder: je umfangreicher das Schnittenpaket im berühmten Rosa, das man aus der österreichischen Heimat für alte und neue Bekannte mitbringt, desto größer die Freude. Damit stellt man die gemeine Mozartkugel als Mitbringsel locker in den Schatten.

Im Zuge ihrer Promotion-Aktion "Rosa Sommerg´schichten" präsentiert die traditionsreiche Josef Manner & Comp. AG auch noch am Beginn der kühleren Jahreszeit ein kurzes Video, das wenigstens die Herzen erwärmt. Unter dem Motto "18 Gipfel, 1 Liebe, 1 Leben" erzählt das Filmchen die rührende Romanze eines Paares nach, das nicht nur durch die gemeinsame Vorliebe fürs Bergsteigen miteinander verbunden ist, sondern auch in Sachen Manner-Schnitten (und natürlich auch privat, aber das versteht sich ja bei dem Titel von selbst). Manu und Leo haben zusammen 18 Gipfel erstiegen, um ganz oben die - vom jungen Kavalier vorsorglich mitgebrachten - Neapolitaner-Schnitten aus der berühmten Verpackung zu schälen und in der alpinen Luft zu genießen. Für den letzten Aufstieg hat sich der Herr Leo allerdings etwas ganz Besonderes ausgedacht: Er versteckte im Schnittenpackerl einen Ring, fiel gleich beim Gipfelkreuz vor der Liebsten auf die Knie und machte ihr einen Antrag. Irgendwie geht’s sicher noch romantischer, aber wir wissen grad nicht, wie ...

Weil die Firma Manner bei dieser Herzensangelegenheit so hilfreich war, durften ihre Vertreter - und ein Filmteam - dann auch der Hochzeit der beiden beiwohnen. Als Geschenk gab es eine individuell angefertigte Torte im bewährten Manner-Design, aber mit leicht variierter Aufschrift, nämlich "Manu & Leo mag man eben". Der Vater des Bräutigams war zu Tränen gerührt, und Manner-Marketingmann Ulf Schöttl sprach Worte, wie Marketingmänner sie eben so sprechen: "Eine unglaublich berührende Liebesgeschichte, an der uns Manu und Leo teilhaben lassen! Die beiden führen uns vor Augen, daß Fans aus der Manner-Schnitte so viel mehr als nur eine Süßigkeit machen."

Darüber denken wir jetzt alle ein bißchen nach - und gratulieren jedenfalls dem glücklichen Paar mit den Worten: "Möget ihr euch die Schnitten teilen, bis daß keine mehr da ist." Oder so ähnlich. Weil wir ja im Herzen alle Romantiker sind.

 

Musik_ P. I. Tschaikowski - Charodeyka

$
0
0

Verhexende Lichtgestalt

Besser als mit der exzellenten Aufführung der russischen Märchenoper konnte man die Saison 2014/15 im Theater an der Wien gar nicht einläuten. Da überboten sich Spitzensänger, ein brillanter Regisseur und ein Orchester mit einem Dirigenten in Höchstform. Wenn das als Omen für die neue Spielzeit gilt, darf man sich viel erwarten.

Tschaikowskis Märchenoper "Charodeyka" erzählt von einer jungen Frau, die alle Männer ver- und bezaubert und letztlich als Mittel für eine Politintrige instrumentalisiert wird. Mamyrov, der Schreiber des Fürsten, sieht in ihr die Gelegenheit, den ungeliebten Fürsten loszuwerden. Besagte Frau heißt Nastasja und ist die Wirtin (auch "Kuma" genannt) eines Gasthauses, das sie zum Zentrum der Freiheit macht: Von ihr erhoffen sich die vom Schreiber unterdrückten Menschen Zuflucht und Zuspruch.

Letztlich beinhaltet die Oper alle realitätsfremden Klischees, die man sich von Rußland nur vorstellen kann: Depression, Obrigkeitshörigkeit (die manchmal durchbrochen wird), der schnelle Griff zum Alkohol usw. usf.

Doch nicht nur Nastasja ist bezaubernd, sondern auch die großartige Musik von Tschaikowski. Anders als im "Eugen Onegin" wird man hier nicht mit komponierten Szenen konfrontiert, sondern vielmehr mit kompakt instrumentierten vier Akten, die kaum übergreifende Melodiebögen enthalten. Die einzige große musikalische Szene ist der Schluß des dritten Akts mit dem Duett Nastasja und Juri.

Der gebürtige Essener Christof Loy konnte mit seiner Regiearbeit vollends überzeugen. Statt mit überbordender Ausstattung überzeugte er mit einfachsten Mitteln und einer hervorragenden Personenführung. Nichts blieb dem Zufall überlassen; jede Geste und jeder mimische Ausdruck hatten ihren Sinn. Großartig waren auch die häufigen subtilen Szenenwechsel, bei denen man unmerklich von einem Wohnraum in eine Waldszenerie transferiert wurde. Und besonders berührend wirkte der Schluß, als die vergiftete Nastasja plötzlich aufstand und als "Lichtgestalt" von der Szenerie verschwand.

 

Musikalisch war die Produktion erstklassig, was vor allem dem ORF-Orchester und dem Dirigenten Mikhail Tatarnikov zu verdanken war. Das Orchester ist in seiner Qualität sehr vom Dirigenten abhängig, was leider im Sommer 2014 bei der "Traviata" bewiesen wurde. Diesmal - unter Tatarnikov - zeigten sich die Musiker allerdings von ihrer besten Seite und ließen betörende Klänge hören. Phantastisch waren vor allem die Holzbläser bei ihren schwierigen Soli.

Der Gesang hatte bei dieser Aufführung an der Wien wieder einmal Weltklasse - ob vom stimmgewaltigen Maxim Aksenov als Juri, Vladislav Sulimsky und Agnes Zwierko als frustriertem Fürstenehepaar oder Vladimir Ognovenko (Schreiber) als begeisterungswürdigem "schwarzer" Baß. Den Höhepunkt lieferte jedoch die in jeder Hinsicht bezaubernde Asmik Grigorian. Die in Vilnius geborene Sopranistin ist auf dem besten Weg zu einer Weltkarriere. Sie hat nicht nur einen strahlenden und höhensicheren Sopran, bei ihr leben jede Phrase und jede Nuance - und das niemals aufgesetzt, sondern mit einer wunderbaren Natürlichkeit.

Leider hat die junge Litauerin in den nächsten Jahren keine Auftritte in Wien geplant; sie wird aber demnächst unter Valery Gergiev im Mariinski-Theater die Desdemona in Verdis "Otello" singen. Dem Theater an der Wien ist zu danken, daß man diese großartige Frau in Wien kennenlernen durfte.

Peter Iljitsch Tschaikowski - Charodeyka

ØØØØØ
Oper in vier Akten

Regie: Christof Loy

 

Arnold Schoenberg Chor

ORF Radio-Symphonieorchester Wien/Mikhail Tatarnikov

 

Solisten: Askim Grigorian, Hanna Schwarz, Maxim Askenov, Vladislav Sulimsky, Vladimir Ognovenko u. a.

 

Theater an der Wien

 

Premiere: 14. September 2014

Reprisen: 16., 19, 21., 23. und 26. September 2014

 

(Fotos: Monika Rittershaus)

Viewing all 1258 articles
Browse latest View live




Latest Images